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Samstag, 4. August 2018

Ideologie als Reaktion der Scham (3)

Teil 3)




Spätestens jetzt werden die hier schon mehrfach vorgebrachten Einwände gegen den Evolutionisten Peterson wieder schlagend, der kein absolutes Bild kennt, ja überhaupt kein Absolutum, bestenfalls als "Nützlichkeit", sondern alles auf "faktische Leistung" weil Evolutionsleistung aufbauen will. Peterson in seinem Pragmatismus hat hier also gefährlich unrecht. Perfektion ist nur ein Ziel innerhalb einer vorausgehenden Ordnung, die der Perfektionsgrad nicht konstituiert, sondern lediglich mehr oder weniger erfüllt. Es ist also weit komplexer, einerseits, einfacher anderseits, als Peterson meint.

Nicht zufällig bezieht er sich auf Hobbes, der da meinte, daß die Menschen, weil sie schlecht sind, sich ständig gegenseitig an die Gurgel gehen ("Homo homini lupus"), weshalb es eine obere Macht (Staat) braucht, der das organisiert. Der damit zum Rechtfertiger des Kapitalismus wurde. Zum Gegenteil also von Rousseau, der da meinte, die Menschen seien an sich gut, und nur der Staat bringe das Böse. Derrida und Foucault verfeinerten das: Sie sahen die Menschen immer in Gruppen, und der Kampf war nicht der aller gegen alle, sondern der von Gruppen gegeneinander, die sich um die Macht schlugen. Denn im marxistischen Universum geht es nur um Macht.

Die Postmodernisten anerkennen damit nicht, daß es einen Standard gibt, der außerhalb von Meinungen zu sehen ist, die von Gruppeninteressen hervorgebracht werden. Denn er anerkennt kein Individuum, das ist ihm eine Illusion. Da werden dann Wissenschaften lediglich zum Ausfluß eurozentrischer Patriarchie, die ihre Machtstrukturen dem Rest der Welt auferlegen möchten. Jede Gruppe kämpft gegen jede, und es gibt keine allen übergeordnete Ethik. Ein alles umfassendes Narrativ gibt es nicht. Wenn aber alles relativ ist, wenn es nichts gibt, was besser ist als das andere - warum soll man am Morgen überhaupt noch aufstehen, warum dies und nicht jenes tun, wo doch alles gleich ist? Deshalb reduziert sich alles auf "Macht". Und sie wird zur Universalerklärung. Der Westen ist also nur deshalb überlegen, weil er den Rest der Welt (und die Umwelt) vergewaltigt hat.

Wer aber so lebt und denkt fällt ins Chaos. Entsprechend hat sich keine der Vorhersagen des Marxismus erfüllt. Wer ihnen aber folgte verlor alles, buchstäblich, und zuletzt sein Leben. Tatsache ist, daß um die Jahrhundertwende ein ungeheurer Wohlstand aufplatzte, auch bei den "Unterdrückten". 

Alles löst sich damit auf

Postmodernismus ist also eine Haltung der Ironie, der Skeptik gegen alles und jeden. Jedes Narrativ wird abgelehnt, was ein viel größeres Problem ist, als es aussehen könnte. Denn diese Erzählungen ordnen die kognitive Struktur, indem es das Denken auf ein Ideal ausrichtet. Deshalb gibt es auch in jedem Film einen Helden. Niemand ist interessiert an einem Film, in dem alles zufällig passiert und alle nur herumhängen (obwohl es heute immer mehr solcher Filme gibt, und der österreichische Film zeichnet sich da besonders fragwürdig aus). Man will einen Helden sehen, der die Welt bewältigt, zumindest seinen Antihelden, an dem man sieht, warum etwas nicht funktioniert (man also "besser weiß", warum etwas so und so zu laufen hat.) 

Er hat deshalb den klaren Effekt gerade jene Hyper-Erzählungen zu zerstören, die uns davon abhalten, uns gegenseitig an die Kehle zu gehen! Die Folgen sind evident, wir befinden uns auf geradem Weg in eine Situation des Dauerstreß, wo wir jede Minute unseren Stand, unser Leben neu verhandeln und absichern müssen, um es im nächsten Moment wieder aufgelöst zu finden und von vorne anzufangen. Das macht nicht einmal mehr vor dem Geschlecht halt. 

Wir verlieren damit längst den Blick dafür, wie glücklich wir uns schätzen können, in der westlich geprägten Kultur zu leben, die so viele Dinge definiert, bewältigt und unser Leben - cum grano salis - befriedet hat. Bis ins Alltäglichste. Wir gehen heute zu einer Bushaltestelle, weil wir darauf vertrauen können, daß der Bus auch zur angezeigten Zeit kommt. Wir müssen nicht fürchten, wenn wir zur Polizei gehen, dort ausgeraubt und vergewaltigt zu werden. (Wie gesagt: cum grano salis. Aber auch das können wir ertragen, weil das große Ganze eben stabil steht, weil die große Erzählung nach wie vor existiert).

Wie wenig allein Macht eine Hierarchie bestimmen kann, zeigt Peterson aus einer Beobachtung bei Schimpansen. Selbst wenn dort ein besonders brutaler Alpha-Schimpanse für eine Zeit ein Terrorregime aufrichtet, wird er sofort von zwei viel schwächeren Schimpansen zerrissen, sobald er ein Auge verloren hat, also schwächer wurde. Es geht selbst Schimpansen nicht um eine pure Machttyrannei, es gibt selbst bei ihnen eine andere Vorstellung von Ordnung und Hierarchie, die dauerhafte und stabile soziale Beziehungen ermöglicht. Und ein wesentlicher Anteil daran wird von einem friedlichen, freundlichen Umfeld getragen.

Und innerhalb dieser Ordnungen spielt auch die Hierarchie der Kompetenzen ihre bedeutende Rolle. Es ist eines der sichersten Ergebnisse der Psychologie, daß man sagen kann, daß die sichersten Voraussetzungen für Erfolg im Leben Intelligenz und klares Denken sind. Darüber sollten wir auch froh sein. Denn wer soll denn verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen, wenn nicht die Fähigsten? Die Unfähigsten? Wie soll man aber die Fähigsten erkennen, wenn die Leistungsmerkmale verwischt werden, um "sozial gerecht" zu sein und aus vorgeblicher Gutheit "positiv zu diskriminieren"?

Der Postmodernismus aber bekämpft genau diese Kompetenz an sich. Ohne die wir nicht einmal hier am Computer sitzen könnten, weil aus sich alles zur Auflösung (Entropie) neigt, also alles was wir als unser Lebensumfeld haben, ständig hohe Kompetenz und individuellen Leistungswillen benötigt. Es gibt ihm gemäß angeblich keinen "Text außerhalb des Textes", alles wird nur noch zur subjektiven Interpretation, wo eine Interpretation neben der anderen gleichberechtigt steht. 

Es sind rationalisierte Pathologien, keine "Ideen"

So daß man den Postmodernismus als Pathologie bezeichnen muß, der seine Dämonen ausgeschickt hat, die alles zersetzen sollen. Wie sie Peterson in der Begriffstrinität Diversifizierung (Vielfalt), Inklusivität (Inklusion), Gleichheit im Ergebnis (was eine schlimme pathologische Idee und außerdem eine Lüge ist) nennt. Und dazu gesellt sich immer häufiger: Privilegien der Weißen, was purer Rassismus ist.

Diversifizierung (Vielfalt) meint, daß sich eine Person nicht über eine klare Identität äußern darf, sondern diese Identität ständig bereit sein muß, sich aufzulösen, Merkmale aufzugeben und zu ersetzen und vor allem auszugleichen. In Rasse, Geschlecht, sexueller Orientierung und Behinderungen oder Unfähigkeiten. 

Hier zeigt sich bei Peterson übrigens die Folge des Evolutionismus, der ja alles relativiert. Er mündet letztlich in Nominalismus, der eine Art faktische Individualität als einziges Kriterium gelten lassen will. Peterson sieht nicht, oder kann nicht widerspruchsfrei auflösen (weil er es da und dort doch auch attestieren muß), daß sich Fähigkeit aus Identität ergibt, nicht umgekehrt.

Dennoch zeigt sich hier die Sinnlosigkeit des Postmodernismus. Denn die kleinste Minderheit ist das Individuum. Wie aber will man festlegen, welche Eigenschaften "ausgeglichen" werden müssen? Das ist endlos möglich! Und wozu soll das alles dann nutze sein? Diese Idee hat nur den einen Zweck, die vorhandenen Strukturen einer Gesellschaft anzugreifen und als Unterdrückungsmechanismen zu verleumden.

Die Inklusionsidee ist ähnlich sinnlos. Und geht in den Schwachsinn der Gleichheit über. Der sich von der Gleichberechtigung - also jeder soll eine Chance haben, eine bestimmte definierte Leistung zu beweisen - strikt unterscheidet und meint, man müsse dafür sorgen, daß jeder zur selben Leistung gelangen können muß, indem man "seine Nachteile" ausgleicht. 

Was zur dritten pathologischen Idee überführt, in der "allen Weißen" ungerechtfertigte Privilegiertheit unterstellt wird nur, weil sie weiß sind. Was hier als angebliche Privilegien angeführt wird, ist schlicht und ergreifend das Resultat einer Kultur, und kein "Rassenprivileg". Und es ist auch völlig egal, in welche "Rasse" man blickt - es sind überall dieselben Merkmale, wo eine Gesellschaft eben funktioniert. Überall und in jeder Gesellschaft ist es so, daß die Menschen, die dazugehören, eben auch gewisse Vorteile haben, die aus dieser Zugehörigkeit stammen. Stattdessen wird hier Schuld mit der Zugehörigkeit zu einer Klasse ("Weiße", oder "Kulaken" oder "Reiche") identifiziert.

Morgen Teil 4)





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