Teil 4)
Es ist nicht zu begreifen, warum Marxismus nach wie vor salonfähig ist. Denn wenn man seine historischen Auswirkungen betrachtet, sind sie eine Summe unbeschreiblicher Verbrechen mit unzählbaren Opfern. Immer ist diese Ideologie mit mörderischen Auswirkungen in einem Atemzug zu nennen, immer haben ihre Ideen zu Massenmord und Elend geführt. Dagegen wird das Naziregime zur Marginalie.
Dennoch steht Marxismus an den Universitäten hoch im Kurs, und er tut es über den Postmodernismus als Mimikri derselben Ideologie. Vor hundert Jahren hat immerhin noch niemand gewußt, daß diese Ideologien so enden. Aber heute müßte das doch jeder sehen und wissen?!
Eine wirklichkeitsgemäßere Sicht der Welt
Peterson entwirft zum Abschluß seines Vortrages ein grobes Bild seiner Interpretation des menschlichen Leides. Das sich von der Ideologie abgrenzt und zu religiösen Vorstellungen gelangt, denn Ideologien verwenden ja immer Fragmente von religiösen Systemen und monomanisieren sie. Die Vorstellung einer Utopie ist etwa nur die vereinfachte Übernahme der Himmelsvorstellungen.
Religionen aber stellen alle Teilmotive in ein Insgesamt. Sie gehen von einem Urzustand des Chaos aus, das durch Information und heldischer Mühe nach und nach geordnet wird. Was sich in den Mythen und alten Überlieferungen wiederfindet, wo alles von einem Drachen oder einer großen Mutter ausgeht. Denn um das Chaos zu besiegen, muß der Mensch kämpfen, muß er in das Unbekannte der Welt hinausgehen. Was immer unbekannt bleibt, hat das Potential, uns zu ängstigen, zu verletzen oder gar zu töten. Aber auch das Gute ist im Unbekannten, und wir wissen genauso nicht darum. Der Mensch steht als Person auf einer Insel in einem Ozean, dessen Grenzen er nicht kennt.
Diesem äußeren weiteren Kreis der "großen Mutter" ist deshalb der Vater eingelagert, der das Chaos besiegen muß und so Kultur schafft. Dazu muß er sich überwinden, muß sich mutig transzendieren. Auf dieser Ebene des Menschseins wird unbekanntes Terrain "bewohnbar" gemacht, und so zur Welt selbst. Weshalb sich diese väterliche Ebene auch als konkrete, bodenverbundene, geographische Ebene zeigt weil konkret darstellt.
Es kann sein, daß das, worunter man leidet, konkret aus dieser Geographie der Konkretion heraus benennbar ist. Es kann aber genauso sein, daß es nur mit der Schlange zu tun hat, die unbekannt ist und die man fürchtet, so daß man sich selbst zu überwinden hätte. Das nicht zu trennen, ist bei den großen Ideologien der Fall gewesen - sowohl im Nazitum wie auch im Marxismus und Postmodernismus schieben die Individuen auf das System, was in Wirklichkeit nur in ihren eigenen Herzen ist. Sie verlagern ihre eigenen Pathologien auf die Umwelt. So müssen sie sich nicht dem Drachen stellen. Der aber immer größer wurde, und umso fanatischer und mörderischer wird ihre Ideologie.
Und darauf beruht der gesamte Westen und seine Kultur: Er ist davon ausgegangen, daß die Auseinandersetzung mit der Welt immer eine Sache zwischen dem Individuum und der Schlange, dem Drachen ist. Deshalb muß der Mensch sich zu allererst einmal mit dieser Tatsache auseinandersetzen, und sich fragen, ob er diesen Kampf aufnehmen will. Denn nur dann kann er sein Glück finden, wie so viele Mythen und Märchen aus der Erfahrung der Menschen heraus erzählen. Er muß beginnen, Verantwortung für sich und sein Leben zu übernehmen. Und nicht Gründe suchen, warum er diesen Kampf verweigern und die Verantwortung auf andere abschieben kann. Weil selber, selber ist man ja gut, am Schlechten sind die anderen schuld.
Wer sein Leben anschaut und danach immer noch zur Auffassung kommt, daß die anderen die Schuldigen sind, zeigt damit nur, wie schuldhaft er wirklich ist.
Geht man zur Betrachtung des Sozialen über muß man natürlich sagen, daß vieles korrupt und schlecht ist. Nur sollten wir nicht vergessen, daß das noch nie anders war (und gerade in Utopien), und daß wir froh sein können, daß trotzdem noch immer so und so viel funktioniert. Wir selber aber sollten uns fragen, was wir beitragen können, damit die Dinge rund um uns eben besser funktionieren. Und was wir aus der Geschichte erfahren, so muß uns doch klar sein, daß es da auch um uns geht, gerade im Schlechten, im Wissen, daß wir hier etwas sehen, das wir aus uns selbst kennen, das wir selbst sogar genauso machen.
Es hilft auch nichts, die Natur zu romantisieren. Tatsache ist, daß die Natur alles andere als uns gegenüber friedlich ist. Wir haben ständig mit ihr zu kämpfen und sie zu zähmen, denn sie würde uns sonst zerstören. Dem steht der abscheuliche Anti-Humanismus gegenüber, der den Menschen wie einen Schädling auf der Erde betrachtet.
Es braucht den Kampf der Söhne
Bleiben wir bei Petersons Schlußbemerkungen nur an einem Punkt stehen. Nämlich dem, wo er anhand von Darstellungen christlicher Symbolik das Verhältnis von Vater zu Sohn bespricht. Wo der Vater (der die Welt in der Hand hält, den oft als leidend, gekreuzigt dargestellten) die Aufgabe hat, den tatkräftigen, weltdurchstürmenden Sohn durch seine Limitierungen, durch seine Rückbindung an die Gesetze der Welt zu jenem Ethos zu führen, der alleine die Welt schöpferisch gestalten läßt. Erst in dieser Auseinandersetzung mit der Limitierung aber kann sich im Sohn jene innere Weite bilden, die die Welt eigentlich braucht, die sie mit jener Liebe füllt, die alles aufblühen läßt.
Die Stadt ist immer bedroht, und außerhalb ihrer Mauern sind die Drachen und Feinde. Aber der Sohn muß hinaus, muß mit ihnen kämpfen, um so das Wertvolle zu erringen und vor den Thron des Vaters zu legen, das die immer irgendwie korrupte Stadt mit neuer Kraft durchströmt.
So ist unsere Seele, so ist unsere Bestimmung als Menschen. Das trifft erst die menschliche Wirklichkeit. Und das führt auch zu jenem Selbstrespekt, den man dann aufhört von anderen zu verlangen.
Sich dagegen dem Lamento auszuliefern, führt nur zu Bitterkeit und verwandelt letztlich die Welt in eine Hölle. Keine politische Polarisierung kann dabei helfen, sie sind nur Scheinkriege. In diesem Punkt der Flucht vor uns selbst sind sich Linke wie Rechte absolut gleich. Wir müssen bei uns selbst anfangen.
*210618*