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Donnerstag, 23. August 2018

Und wollen weiterhin nur Schmerzvermeidung

Es hat schon etwas von Realitätsverweigerung, wenn das Compact-Magazin in einer seiner jüngsten Ausgaben von der Angst der Rentner um ihre Versorgung spricht und die Formel "Alter = Armut" ins Schaufenster hängt. Natürlich stimmt das, rein von den Fakten betrachtet. Aber wenn dasselbe Magazin auch die Zuwanderungsproblematik als verschärfendes Element anprangert, übersehen seine Macher, daß beides eng zusammenhängt. Denn die Massenzuwanderung war - nicht nur, aber auch - ein Versuch, ein demographisches Problem zu bewältigen, das sich schon vor Jahrzehnten abzeichnete: Eine Bevölkerung, die zu wenig Nachwuchs in die Welt setzt, deformiert die Alterspyramide und wird mit absoluter Sicherheit in die Armut gleiten.

Viel zu lange hat man den Menschen dazu ein X für ein U vorgemacht. Ihnen Lügen aufgetischt, daß es ihnen immer gut gehen werde, unabhängig davon, wie sie leben, ihre Wählerstimmen damit gekauft, daß man sie von jeder Verantwortung freigestellt hat. Noch immer glauben heute viele, sie hätten mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen "ihre Rente" eingezahlt. Das ist fatal und falsch. Niemand hat "seine" Rente eingezahlt, sondern unser Rentensystem (wie jedes Rentensystem) funktioniert nur als Umlageverfahren. Das heißt, daß jeder für die Rente seiner eigenen Eltern aufkommt, neben den Kosten für die nicht Erwerbsfähigen, namentlich Kinder und Kranke. 

Wer keine Kinder hat oder haben will, hat aber nur den Appell an das Mitgefühl der anderen. Das war noch nie anders, und das kann auch nicht anders sein. Er wird somit ganz naturgemäß im Alter zum "Sozialfall".

Erst und ausschließlich dieses Generationenumlageverfahren ist das Lebensprinzip der Sozialversicherung, wie sie Bismarck erstmals in unseren Ländern als staatliches System eingeführt hat. Denn zuvor waren ähnliche Versicherungs- und Versorgungssysteme regional oder standesbezogen oder gruppenbezogene Solidaritätsleistungen, die in vielfacher Art organisiert waren. Erst die Proletarisierung der Arbeiter sowie die Bekämpfung maßgeblicher Träger dieser Systeme (v. a. von Kirche und Adel, bei gleichzeitiger Freistellung der Kapitalbesitzer im Liberalismus mit der Verabsolutierung von Eigentum als Sicherung von Raubgut*) hat diese ausgehebelt. Etwas, das heute völlig übersehen wird, denn selbstverständlich gab es auch früher und immer solche Solidarsysteme, die oft sogar besser funktioniert haben als heutige Systeme.

Über die Faktoren, die zur heutigen Situation geführt haben, wollen wir uns an dieser Stelle nicht weiter verbreitern, wir handeln darüber ohnehin immer wieder in Detailfragen. Im Wesentlichen soll nur das Auseinanderreißen von Ursache und Wirkung, von Tat und Verantwortung genannt werden, das ein Krebsschaden der Gegenwart ist und wurde.

Ganz neue Fragen über Ungerechtigkeit müßten deshalb gestellt werden. Vor allem über die Zerstörung der Familien als Solidarverbund und (hierarchischen) Organismus, vor allem aber die Enteignung und Vergesellschaftung der Kinder. Alles das sind nicht zuletzt Folgen der Entpersönlichung der Sozialleistungen als Solidarleistungen generell. Und diese gewaltigen Schuldlasten müssen eines Tages auch verarbeitet werden, anderes anzunehmen ist eine Illusion. 

Natürlich war es ein fataler, ja lächerlich falscher Gedanke - wie er nur Bürokraten einfallen kann - zu meinen, durch Massenzuwanderung dieses Problem aus der Welt schaffen, oder auch nur ihm vorbeugen zu können. Diese hat das Problem sogar noch weiter verschärft und ging also als die Rechenübung, als die die Rentenfrage (man denke nur an den hahnebüchenen Unsinn der "Riesterrente"!) gesehen wurde, nicht auf. Dafür stehen wir vor neuen und noch substantielleren Problemen, nämlich denen des völligen Zerfalls als Volks-, Solidar- und Kulturgemeinschaft, an die offenbar nie jemand gedacht hat. Selbst der Sozialstaat ist dabei in Wirklichkeit gescheitert, weil eine Umlegung zwischenmenschlicher Verbindlichkeit und familiärer Integrität in Individualisierung, in Geld und abstrakte Ansprüche von keiner Volkswirtschaft getragen werden kann.

Nur eines kann man nicht: So tun, als wären beide Probleme - Massenzuwanderung und Altersarmut - ganz einfach für sich zu betrachten. Genau so wenig, übrigens, wie die Entwicklung unserer Volkswirtschaften zu mathematisch diktierten Geldproduktionsmaschinerien. Das alles hängt zusammen, und hat eine eindeutige Ursache: Die Zerstörung der Sexualmoral, die Zerstörung der Familiengefüge, den Geburtenrückgang, den abstrakten Sozialstaat wie er in den 1970ern eingeführt wurde, die alle den Generationenvertrag so effektiv zerschossen haben, so daß die Armut der Alten (die uns zu größten Teilen ja erst bevorsteht, wenn nämlich definitiv die geburtenstarken Jahrgänge bis Mitte der 1960er Jahre in die Rente gehen wollen) nichts anderes ist als eine unausweichliche und logische Folge.

Solange man das nicht sehen will, müssen sich auch solche "Bewegungen", wie sie Compact darstellt, den Vorwurf gefallen lassen, daß sie dasselbe betreiben, was als Grundstimmung uns allen bereits so verderblich ins Fleisch gebrannt wurde: Daß für die Folgen des eigenen Tuns andere zahlen sollen. Und daß ihre Forderungen oft das kindische Greinen Fünfjähriger ist, die nicht erwachsen werden wollen und selbst als Grauhaarige nach der Milch der Mama schreien, die nun alles richten soll, was man selber angerichtet hat.

Ja, die Massenzuwanderung muß sofort gestoppt werden, und wir stehen in der nicht mehr vermeidbaren Situation von Parallelgesellschaften, die wir endlich als solche gestalten sollten, ehe sie uns gestalten und uns endgültig dessen berauben, was wir als Angst mit Recht haben: Die Heimat. Die Massenzuwanderung muß also aus kulturellen Gründen gestoppt werden, denn auch unser Generations-Solidarsystem ist Teil unserer Kultur und wird von manchen der zuwandernden Kulturen nicht mitgetragen und nicht mitgetragen werden.

Aber dazu müssen wir auch selbst ein gutes Stück weit wieder zu Kulturmenschen werden. Und aufhören so zu tun, als gäbe es auch andere Auswege, die nur Formen der Schmerzvermeidung sind, wie sie uns schon so geschädigt hat. Auswege, die uns halt nichts kosten sollen. Nein, nicht Geld, nicht primär von Geld ist hier die Rede, sondern von sittlicher Anstrengung. Dazu gehört auch, mannhaft zu tragen, was wir selbst angerichtet haben: Die demographische Katastrophe, die uns nun mit der Folge von Altersarmut konfrontiert. Und dazu gehört auch die Beseitigung schreiender Ungerechtigkeiten, zu denen prinzipiell nicht Altersarmut gehört, sondern die Entkoppelung von Rentenanspruch von jenen Generationen, auf die diese Leistung alleine umgelegt werden kann: Die eigenen Kinder. Nur sie können das Maß der individuellen Rente bestimmen. Unperfekt natürlich, wie alles, wo es um den Menschen geht. Aber eben - in menschlichem Maßstab.







*Nein, es geht sicher nicht um die Verweigerung des notwendigen Schutzes von Eigentum! Aber es heißt, daß es Mechanismen braucht, um Kapital und Vermögen in seiner sozialen Verantwortung zu halten. Gerade diese braucht ja sogar auch große Kapitalien und Vermögen! Es geht also um eine Forderung nach einer von Menschen betriebenen Wirtschaft. Einer Wirtschaft, die nicht mechanistisch aufgebaut nur mathematischen Gesetzen genügt, wie wir sie seit langem immer ausschließlicher erfahren. Es geht um einen Mittelstand, der wirklich ein solcher ist.




*280718*