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Montag, 6. August 2018

Von der Wahrnehmbarkeit des Moralischen und der Sittlichkeit einer Kultur (2)

Teil 2)




Speziell ist es so bei Bereichen, die wir eher in moralische Fächer abschieben. Nehmen wir die Sexualität, nehmen wir die Aussage der Wahrheit, daß der sexuelle Akt nur innerhalb einer Ehe seinen Ort hat. Diese Aussage ist dem heutigen Menschen schon weitgehend verborgen. Aber nicht nur das, er meint, sie entspreche nicht seiner (sinnlichen, empirischen) Erfahrung. Dieses Moralgebot ist also kein Gegenstand der Erfahrung, es ist nur ein aufoktroyiertes Gesetz, warum auch immer.  

Nun, wenn etwas wahr ist, dann kann es nicht außerhalb aller unserer Erfahrung liegen. Nicht völlig. Direkt oder indirekt. Das heißt: auch im Rückfolgern. (Daß hier ein Bär vorübergegangen ist, erkennen wir an den Tatzenabdrücken im Waldboden vor uns.) Dann muß es auf eine Weise auch in unsere Welt hereinragen. Dann muß es also eine Struktur in den Dingen haben bzw. auf diese verweisen, in denen wir diese Wahrheit auch erfahren, gewissermaßen "testen" können. Dann muß das Dinghafte, das Faktische unserer Lebenswolke, auch von dieser Wahrheit so weit abgehen können, daß es sogar im schlimmsten Fall zugrunde geht. (Wer ein Katzenjunges im Marianengraben im Pazifik aufziehen möchte, wird an der Wahrheit der Dinge scheitern.)

Deshalb liegt z. B. diese Wahrheit über den Sex - zumindest muß man es als Möglichkeit sehen - nicht einfach außerhalb unserer Erfahrungswelt, ist einfach nur ein positivistisch erfundenes Gesetz, sondern es liegt an uns, daß wir diese innere Struktur dieses Dinges nicht (mehr) wahrnehmen. Wir haben uns blind machen lassen, oder/und wie in den meisten Fällen auch selbst blind gemacht. Wir "wollen es nicht sehen", das heißt, wir wollen es nicht zur Kenntnis nehmen. Wenn wir (wie es bei der Sexualität heute der Fall ist) uns zu sehr an dieses Verhalten (im sexuellen Genußakt, der vielleicht zur Gewohnheit wurde, zur Haltung, zum "Habitus") gebunden haben, davon nicht lassen wollen. 

Hätten wir die Freiheit, diesen Akt und alles was dabei passiert und sich an Gefühlen abspielt abstrahiert zu betrachten, würden wir plötzlich Dinge feststellen, die eindeutig auf die Wahrheit dieser Aussage - Sex und Ehe sind untrennbar - hinweisen. Sie bestätigen. Ja sie unter Umständen erweitern. 

So daß wir über die Sinnesdaten auch mehr und mehr zum "Sinn" kommen - eine keineswegs zufällige Wortgleichheit, weil alle Dinge der Welt quer durch alle Ebenen reichen, also vom rein "Materiellen" bis zum "geistigen Sinn" (als "auf etwas zu", logos sohin) sich immer dieselbe Struktur zeigt, nur jeweils auf einer anderen Ebene, in einer anderen Gestalt, aber immer in derselben Art der Beziehung zur Welt.

Ähnlich ist es bei der damit zusammenhängenden Frage der Verhütung. Auch die Verhütung ist so sehr wahr, daß sie einen sinnlichen Abdruck hinterläßt, Sinnesdaten, die darauf zurückgehen und auf diese Wahrheit verweisen. Nur sind wir so blind, daß wir diese tiefe Wahrheit des Dinges (Sex und Verhütung) nicht mehr wahrnehmen. Auch wenn wir sie nicht nur im Innersten fühlen (Wahrheit ist deshalb immer ein Erhellen von etwas Vorhandenem), sondern daß ein Verstoß gegen diese Wahrheit auch konkrete Schäden an unserem Leib (in dem Fall) hinterläßt.

Es ist deshalb auch eine Aussage über den Stand einer Zeit, die Höhe einer Kultur, wieweit sie die tiefere Wahrheit über die Welt und den Menschen in ihren Institutionen (zu denen auch die Moral gehört) zum Ausdruck bringt. Wieweit sie also durch die durch Institutionalisierungen, Gebräuche, Tänze, Musik, öffentliche Atmosphäre etc. etc. gelegten Schienen die Menschen zur wahren Wahrnehmung (und damit zur Erfüllung der Dinge, nicht zu deren Zerstörung) führen. 

Es ist deshalb eine Aussage über unsere Zeit, daß diese Wahrheiten, die den Menschen äußerst direkt, also schwer betreffen, weil sie seinen Leib betreffen, also sein konkretes Dasein in der Welt, von den Menschen heute kaum noch wahrgenommen werden. So wenig, daß sie sie für unwahr (oder bestenfalls "moralistische Höchstleistung") halten. Bei der Sexualität umso einfacher erkennbar, als wir in der Folge der "sexuellen Befreiung" in einer Zügellosigkeit leben, in der unser Denken und Handeln von einer mittlerweile weit verbreiteten Haltung ganz schwer getrübt wird. So sehr, daß die Aussagen der meisten Menschen über "Sex" (etc.) völlig irrelevant und falsch sind. Obwohl sie doch "dasselbe" erleben wie der, der Sexualität und Ehe* nicht auseinanderreißt.

Damit begeben wir uns der Fähigkeit, Erscheinungen im Sozialen, im Zwischenmenschlichen, aber auch in ganzen sozialen Gefügen, auf ihre wahren Ursachen zurückzuführen. Damit berauben wir uns der Fähigkeit, richtig zu urteilen und richtig zu handeln.

Und kommen zu einer annähernden Beleuchtung des Satzes (und damit dem Anlaß dieses Eintrags, der von Leser R erbeten wurde), daß nur Sittlichkeit auch Kultur hervorbringen kann.



*Von Ehe zu sprechen hat schon begrifflich nur dann Sinn, wenn diese Ehe auch als unauflöslich gedacht wird.




*240618*