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Dienstag, 17. Mai 2022

Als es fast so war, wie es sein sollte (3)

Es wurde Abend, es wurde Morgen, nächster Tag: Wie es dazu gekommen ist. Wozu? Zu allem - Und das alles hat sich in der Hochphase dieses so bewundernswerten allgemeinen Wohlstands in England abgespielt. Der DURCH die Kirche maßgeblich angestoßen worden war. 

Warum? Weil die Kirche in England v. a. über die Klöster an die fünfzig Prozent des Landbesitzes in ihren Händen hatte. Kirchengut ist aber auch Gemeingut, das wird heute regelmäßig vergessen. So hat sich in England dasselbe ereignet, wie auch bei uns: Die Klöster haben ihre Ländereien ja nicht selbst bewirtschaftet, sondern waren die Zentrale, ind er die Arbeitsteilung als wesentlichstes Merkmal des wirtschaftlichen Wohlergehens eines Volkes einzurichten war. 

Die Ländereien wurden an die Bevölkerung verpachtet. Der Zehent hatte dabei nicht nur den Vorteil eines praktisch biblisch verankerten Pachtentgelts, das noch dazu in Arbeitsleistung (Frondienst, also mit dem eigenen Körper zuu erbringende Dienste) zu erbringen war, also kein "Geld" benötigte. Sondern er war an die Ertragskraft des Pachtgutes gekoppelt. Das heißt, daß in Zeiten von Mißernten (und eine solche hatte man damals noch bei jeder vierten Ernte erwartet, sei es aus Wetterbedingugnen, sei es auch Ungezieferplagen oder Kriegsverwüstungen) nicht nru durch Lagerhaltung das Überleben der Bevölkerung so halbwegs abgesichert war, sondern daß auch die Pachtentgelte entsprechend ausfielen. 

Kein Bauer verlor also seinen Hof wegen einer Mißernte, und das Zinsnahmeverbot war im 16. Jahrhundert noch nicht in irgendwelche Schreibtischladen und Disputier-Hinterstuben verschwunden (obwohl es nach wie vor Gebot der Kirche wäre!) und unter dem schönfärberischen Namen eines "Auifwandsentgelts" (das nicht unmoralisch ist) eingeschmuggelt. Auch dieser MIßstand setzte erst mit der sogenannten Reformation bzw. eigentlich mit der Renaissance und dem enormen Finanzbedarf (und damit der Korrmupiertheit von Papst und Bischöfen, die sich nun sogar zu Landesherren entwickelten, womit man also das, was man im 11. Jhd. noch bekämpft hatte, einfachhin "umgedreht" hatte) ein. Die ersten, die diese Linie offiziell überschritten, waren übrigens die deutschen Fugger, denn Jakob Fugger, ein tieffrommer Mann, wollte da ein reines Gewissen, wenn er schon so viel Geld verleihen sollte. Inoffiziell hatten es ja ohnehin schon längst die Medici und wie diese florentinischen Bankhäuser - allesamt aus dem Textilsektor herausgewachsen - alle hießen, in ihrer Nähe zum Papsttum so gehandhabt. 

Von denen auch der Brauch stammt, das ursprünglich durch reelle Arbeit und Prodution mit der Zeit kumulierte Kapital bei Juden anzulegen. Die unterlagen nämlich keinem religiösen Zinsnahmeverbot den Goij, also den Christen gegenüer. Somit konnten auch Juden (enn sie der Fürst nur ließ) Pfandleihen einrichten, in denen gegen astronomische Zinsen (40 Prozent, oft sogar pro Woche oder Monat) an die einfachen Bürger und vor allem an den nicht reichen Adel.

Nicht reich meist dadurch, daß seine Einnahmen wie bei der Kirche aus Fronarbeit bestanden, sodaß er kaum eine Möglichkeit hatte, Geld zu generieren, das aus verschiedenen Gründen für die Erfüllung ihrer eigenen Verbindlichkeiten aber immer häufiger notwendig war. Nicht zuletzt durch ... die Steuern! denn als Geld hat nicht zuletzt immer zu gelten, womit man seine Steuern bezahlen mußte. 

So stellt sich einer der Mechanismen für die Herausbildugn von Oligarchien vor Augen. In der Gestalt eines zweigeteilten Zentralisierungsprozesses hier, und in der Form von Enteignung von Produktionsmitteln dort. Die Bürger verpfändeten nämlich ihre Produktionsmittel, etwas anders hatten sie ja nicht. Und der Adel seine Pfründe und Ländereien. Die Bauern ihre Güter und ihre Rechte. Daß das die Könige durch ihre Privilegien taten, haben wir schon erwähnt. 

Man nehme nur die Geschichte der Post her, um solche Vorgänge zu sehen. Wo Kaiser Karl VI. dringende Einnahmen für seine Kriege mit Frankreich (um Spanien) aus der Übernahme der Postlinien der lombardischen Grafen Torro e Tassilo -Thurn und Taxis lukrieren wollte, und dabei auch die Kameralisierung der privat noch ziemlich lukrativen Postlinien des Kaiserreichs (von Belgien bis nach Siebenbürgern, von Hamburg bis nach Florenz) im Augen hatte. Aber die einfach zu enteigen ging nun doch nicht. Also tröstete er die Grafen, und vergab viel, das ihn kein Geld kostet: Bierbraumonopole, oder die Kurfürstenwürde. Die Post war finanziell ein Fehlschlag, noch nie hat ein Staat ein "Geschäft" aufziehen können. Seine Einnahmeform waren immer Steuern und gesetzliche Verpflichtungen. Die Brauereien aber machten umgekehrt aus den Thurn und Taxis schon im 18. Jhd. politisch höchst einflußreiche Milliardäre - also Oligarchen.

Aber davon war England gegen Ende des 15. und in den ersten drei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts noch keine Rede. Vielmehr erlebte es nach dem Ende des 100jährigen Krieges mit Frankreich eine lange Periode relativen Friedens. In dem sich nun auch in Ruhe wirtschaftlichen Aktivitäten entfalten konnten, die aus englischen Produkten - allem voran ein durhc die spezielle Art der Hestellugn aus Eisen entstandener Stahl, sowie die Verarbeitung der Schafwolle, die die Bedingugnen der Schafhaltung (Regen und Kälte machten bereits das rohe Schurprodukt besonders wasserbeständig und farbaffin, vor allem den damals verwendeten schwarzen Färbungen gegenüber, und damit war der Klerus, also 10 Pro0zent der Bevölkerung, der natürlichste und vor allem zahlungskräftige Nachfrager nach englischen Wollstoffen. 

Während die einfachen und nujr hundert Jahre später bereits (weil unter Heinrich VIII. sehr rasch) verarmenden, ja verelenden Engländer auf die billigen deutschen Leinenprodukte, später dann vor allem auf die amerikanischen und indischen Baumwollstoffe angewiesen waren Aber gut, um den Gram zu ertränken, gab ja bald auch billigen Rum und vor allem noch billigeren Gin. Wie heute haben die Oligarchen eben auch auf die Armen nicht vergessen, denn auch die haben Geld, das sie ausgeben, da macht es die Masse; Walmart und Tesco verdienen heute in südamerikanischen und indischen Slums goldene Nasen, machen buchstäblich aus Dreck Kohle

Ein heutiger Wirtschaftsexperte würde uns nun garantiert vorrechnen, wie sehr doch der Kapitalismus den Wohlstand der Welt gesteigert habe. Denn immerhin konnten sich schon im Jahr 1630 die Hälfte der Engländer täglich ein Pint Gin leisten. Etwas, das 1530 noch undenkbar gewesen wäre. Und war schon 1560 die Hälfte der Engländer bitter arm, ohne Arbeit und in Bretterbuden der Londoner und Birminghamer Slums wohnhaft, so hatten 1660 ein Drittel der ehemaligen Armen (sogar noch die von Irland dazugerechnet) feste und langfristige Arbeitsverträge mit geregeltem (wenn auch bescheidenem) monatlichem Einkommen, und mußte nicht mehr hungern. Als zwangsgepreßte Schiffsmannschaften oder als Soldaten seiner Majestät in den Kolonien der US-Ostküste, in Kanada, Südafrika, Australien oder im den Franzosen abgeluchsten Indien. Nicht nur das, war der Beschäftigtenstand 1760 praktisch allumfassend, sogar Kinder und Frauen waren in Bergwerken, stickigen Hochöfen und 16 Stunden pro Tag laufenden Webereien gefragte Dienstnehmer. Soweit der Bericht der Wirtschaftsfachleute der Academie oeconomique liberalé".

Morgen weiter mit: Der Tanz um ein Zentrum, das als das erkennbar wird, was ausgelassen weil dann gezeigt ist



Erstellung 2. Mai 2022 - Ein Beitrag zur