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Mittwoch, 25. Mai 2022

Gedankensplitter (1443)

Es ist bemerkenswert, daß gerade dort, wo es besonders "menschelt", der Mensch sich vom Menschsein entfernt hat. Exakt das ist ja auch gemeint: Es ist menschlich, auch nicht-menschlich sein zu können. Kein anderes Lebewesen ist vermag, sich von sich zu entfernen. Es wäre rettungslos verloren. 

Wir Menschen aber haben etwas, das uns rettet. Und das ist hier die Barmherzigkeit, eine außer-menschliche, nein, übermenschliche Kategorie. Doch gehört offenbar das Über- oder Außermenschliche (bei beidem haben wir es mit der Kategorie Geist zu tun) so sehr zum Menschen, daß wir in dem Moment, wo wir es daran fehlen lassen, UNMENSCHLICH handeln. 

Menschlichkeit heißt also, das Fehlen beim Menschen wenn shcon nicht zu erwarte, so doch damit zu rechen. Das ist dann auch realistisch, entspricht also dem, "wie die Dinge faktisch sind," also "meist vorkommen."

Wenn auch sehr häufig der Fehler passiert, Barmherzigkeit mit Gutheißung und Legitimierung zu verwechseln. Das wäre nämlich wiederum nicht-menschlich, wiewohl sehr gemenschelt.

Aber zum wirklichen Rückstieg aus dem "Menscheln" zum Menschsein braucht es die (immer freiwillig - frei. also als wirklichen Akt des Vergebenden - sein müssende) Vergebung. Denn es wäre sehr menshclich, sie nicht unter jeder Bedingung zu vergeben. Sie IMMER zuzusprechen wäre hingegen sogar wieder "gemenschelt". 

Doch ist es auch unmenschlich, sie wie ein Gut aus dem Selbstbedienungsmarkt einfach vorauszusetzen, und nicht von dem zu erhoffen und zu erbitten, dem wir das Menschsein verdanken. Von dessen Geschenk wir aber "allzu menschelnden" Gebrauch gemacht haben, sodaß wir unmenschlich waren.

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Mit jedem Wort, das wir formulieren und aussprechen (wobei auch das Denken eines Wortes alleine in dieser Stärke gesehen werden muß), setzen wir uns eine Umgebung, die wir selbst dann zu überwinden hben werden. Weil wir nur DURCH SIE HINDURCH dann Gott sehen - oder nicht sehen. 

Und sehen heißt, durch die Analogie, die wir in unsrem Inneren bilden, und durch unsere Haltung und vor alem Zustimmung dazu die inneren Qualitäten" des Bildes (das wir also aktiv nachbilden, in einer Art von "als wir selbst nachgehen") übernehmen wir sie. Und machen uns also dem Gesehenen ähnlich. 

Auf dieses "als wir selbst" kommt es also an, nehmen wir nur auf. Im Sprechen aber setzen wir - auf jeden Fall! - eine reale Welt. 

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Je älter man wird, de mehr Erfahrung man zuläßt, je mehr man aufhört sie beiseite zu schieben, desto schwerer wiegen einige Aussagen des Neuen Testaments. "Nach jedem Wort beurteilt" etwa, aber noch mehr besorgniserregend: "Wer kann da noch gerettet werden?" mit der Antwort "Für Menschen ist das unmöglich. Aber für Gott ist nichts unmöglich."

Je älter man wird, desto merh Gewicht erhält die Hoffnung auf Barmherzigkeit.

Dem entspricht die Erfahrung mit Heiligen. Die deshalb so prägend und eindrucksvoll ist, weil man an sich selbst erfährt, wie mit einem mal die Hoffnung aufgeht, ja regelrecht aufplatzt, und einen überwältigt, als wäre man dessen ansichtig, auf das man überhaupt hofft: Daß nämlich der andere MEHR versteht als man selbst. 

Und daß das Gegenüber, dieser Heilige, den man ja genau daran erkennt - eine Ersttatsache, würde ich sagen, nichts das sich also aus Argumentieren oder Rationalisieren oder Rückschließen ableisten, rekonstruieren und zusammenklistern ließe - daß er einen in dieser Liebe umfaßt, die nur noch aus Barmherzigkeit zu bestehen schient. Wenngleich sich sofort, wirlich sofort ein ezweite Regung feststellen läßt: Die der Reue, weil man weiß, daß man "nicht gut" war. 

Umso mehr sind deshalb jene zu bedauern, bei denen man im Umgang (auch sehr rasch meist, aber nicht so direkt wie beim Heiligen) bemerkt, daß es ihnen ständig darum geht, selbst als "gut" und das heißt immer "besser" dazustehen, als man selbst. Die es also ständig auf diesen Vergleich anlegen, der heißt, daß man selbst ins Gegenteil der Barmherzigkeit, also durch Schlechtmachen herabgedrückt werden soll. Die nicht merken, daß sie nur IHREN Kriterien des Guten entsprechen wollen, die sich also selbst Richter sind und für sich Himmel (also auch: Hölle) zuteilen.

Je älter man wird, desto deutlicher erkennt man aber, wie sehr die Komplexität eines Menschen das eigene Urteilsvermögen übersteigt. 

Nur eines bleibt dann noch legitimies Mittel - nicht das Urteil, aber die erkannte Notwendigkeit der Abgrenzung,der Distanz, die oft sogar passive Distanz bedeutet. Das heißt, daß man sich selbst auchnicht dem Wahrnehmngsbereich des anderen aussetzen möchte. Denn viele stehlen mit den Sinnen. 

Um in diesem oben beschriebenen Nachbilden ihre Selbst Eigenschaften einzugliedern, sie sie im Ausüben dann nachäffen, um Gutheit vorzutäuschen. 

Womit sie aber icht rechnen ist die Untrüglichkeit der Wahrnehmung des Heiligen. Die sogar religionsübergreifend besteht, also wahrhaft KATHOLISCH ist. Denn das ist der einzige Weg, der keine Ideologie darstellt, sondern das wahre Menschsein ist.

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Je älte rman wird, desto mehr aber erkennt man auch, wie unbedeutend die "Inhalte" der Dinge und Agenden sind. Wie sehr es auf die Art und Weise aber ankommt, die man als die eigentlichen Inhalte weil Aufgaben erkennt, die der Mensch in dieser Welt zu üben hat, um Mensch zu sein. Und das in aller Umfassendheit, zu der der Mensch eben angelegt ist, die also seinem Wesen entspricht. Und dieses Wesen ist ganz offenbar auf eine Transzendenz angelegt, die untrennbar zum Menschsein dazugehört, die man nur vernachlässigen oder ausgrenzen kann. 

Mit mehr oder weniger großem, mit dem Alter jedenfalls steigendem Kraftaufwand! Nicht also, daß die Kräfte "schwinden", sondern sie schwinden im Verh-ltnis zur Last, die man ver- oder zurück- oder wegdrängt. Ich vermute deshalb, daß man nur in einem Sinn älter wird, der "dem Tode näher", der "mit verfallender Kraft" bedeutet, weil die Last, die man verdrängt, immer größer wird. 

Was man grosso modo mit Altersstarrsinn bezeichnet, könnte dort seine Wurzeln haben.. Die Kraft muß immer mehr auf bestimmte drückende Lasten fokussiert werden. Die zugleich aber die Gründe dafür sind, daß man den eigenen Untergang in progressiv anwachsendem Tempo nicht verhindern kann. 

Im Ältersein wird deshalb das Welthafte, das Werkhafte, da Institutionelle, das was man zeitlebens "geschaffen" oder "geschafft" hat, und zwar durch einen selbst wie durch die Umgebung (also durch die "anderen") von überragender Bedeutung. Es führt einen dann nämlich, sodaß man in gewisser Hinsicht im Alter genau da wird, was man wirklich sein wollte. Was auch heißen kann: Nicht dem Leben, sondern dem Tode zugeneigt.

Wie sehr berührt mich aus diesem Grund immer wieder neu der Psalmvers, in dem der gepriesen wird, der in der Jugend seine Köcher mit Söhnen gefüllt hat. Die er dann im Alter "verschießen" kann, sozusagen.

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Doch muß ich eine wichtige, ja entscheidende Ergänzung anfügen. Denn es wird meist vergessen, daß Menschsein bedeutet, einer andauernden, nie zu vermissenden Pflicht entspricht, ZU ENTSCHEIDEN, also Urteile zu treffen, Ja, die oben erwähnte "Relativierung" (als die man das Beschriebenen sehen könnte) wird zur Schuld, ist also unmenschlich, wenn sie darein mündet, die Pflicht zur Entscheidung (also: Scheidung) zu vernachlässigen. 

Menschsein verwirklicht sich deshalb erst dort und nur dann, wo der Mensch die Bürde auf sich nimmt, sich zu einer Gestalt zu ENTSCHEIDEN, und diese Gestalt dann auch in der Welt und für die Welt ZU SEIN. 

Also auch keine Ausflucht zu benützen, die die Gestalt auflösen, weniger als Gestalt, als "realisierte Beziehung" darstellen zu wollen (also: zu sein.) Der Chef wird nicht "menschlicher", wenn er zeigt, daß auch er (wie der Untergebene) "menschelt", sondern wenn er zeigt, daß es nichts geben kann, das ihn nicht Chef sein läßt. 

Der also nicht die Beziehung auflöst, um eine amorphe "Gleichheit" zu schaffen, um (für beide Seiten gültig) die Last der Gestalt nicht tragen zu müssen. Denn dann opfert er - tatsächlich! - das Ganze, den Organismus, zu dem beide, Chef wie Untergebener, nicht nur gehören, sondern der sie "sind", sodaß mit ihrem Ausscheidne auch der Organismus real verschwindet.

Diese Art des "Versagens" halte ich nicht nur für häufig, ich halte sie für DIE SÜNDE DER ZEIT. Für eine höchst subtile, aber wahrlich effektive Art, die Welt WEIL das Menschsein zu zerstören. Indem sie, die nur besteh weil sie konkret und real ALS Beziehungsgeflecht ist, zur Verdunstung gebracht wird.
Es wird also in der Hölle Dantes jener Raum zum Bersten gefüllt sein, in dem alle "menschlich sind", aber keiner mehr "Mensch", als solcher überhaupt vorhanden ist. Gespenstisch. 
Ein Raum, in dem alles in der Totalentspannung verharrt - und somit kein Gut mehr ergreifen kann. Denn das geht nur ALS jemand, und ALS konkrete Gestalt. Denn alles Gute ist ein "FÜR", gegeben an ein konkretes Etwas (ob Ding, ob Lebendiges, ob sonstwie Seiendes.) 
Wie wünschte ich (oft nehezu verzweifelt), daß es gesehen würde. Denn genau das zeigt seine Bedrohlicheit: Aufgelöstes ist nicht zu sehen ...