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Mittwoch, 23. November 2016

Heilige Vaterberge

Der Schneeberg gibt nicht nur dem südöstlichen niederösterreichischen Alpenvorland seine Ordnung, hat es deshalb als Raum geschaffen - noch vor allem menschlichen Beitun - sondern er ist hunderte Kilometer weit in die ungarische Tiefebene hinein sichtbar und damit ein maßgeblicher ungarischer Orientierungspunkt. Der Endpunkt der Ostalpen ist also der Vater einer riesigen Region, die weit in den Osten reicht. Das Bild zeigt ihn vom ungarischen Ödenburg/Sopron aus. 

Berge sind der eigentliche Grund einer Einheit des Lebensraumes, weil sie diesen Lebensraum überhaupt erst schaffen. Er entsteht also nicht aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen. So denkt erst der Mensch der Gegenwart, der im Grunde von nichts mehr eine Ahnung hat. Diese Umstände kommen höchstens dazu, sind ein "auch". Aber selbst deren Fehlen hat den wichtigsten Umstand nie behindert - gerade die größten Kulturen beweisen das, die in widrigsten ökonomischen Umständen entstanden, aber immer eines hatten: einen Anfangspunkt, einen ... Berg, der eine Beziehung zur Umgebung hatte, seiner Landschaft. (Und wenn sie ihn schufen, durch Stelen, Heiligtümer, als heilige, ortsstiftende, raumschaffende und damit göttliche Ordnungsgeber. Der "Grundstein" in Gebäuden hat denselben Sinn.)

Ist da nicht beantwortet, warum die Ägypter Pyramiden bauten, um überhaupt den Norden dauerhaft besiedeln zu können, die zugleich Ausgangs- wie Endpunkt, vielfach manifestiertes, weltgewordenes Ordnungsprinzip waren, von dem abhing, ob man eine Landschaft überhaupt besiedeln konnte - die also hohe religiöse Bedeutung hatten? Denn ohne Ordnung - als zugewiesener Ort - kann kein Mensch leben. (Die Nähe von Ort und Grenze, also Bestimmungsgeber, "Dingmacher", damit fast göttlicher weil schöpferischer Funktion, ist - als ehemaliger Holzhausbauer darf der VdZ aus dem Nähkistchen plaudern - im schönen, alten Begriff des "Ordsteines" in der Dachdeckung, des Randsteines also, bis heute begreifbar.)

Weil nämlich die Berge, die hohen Orientierungs- und damit Ordnungspunkte es waren, die allen siedelnden, herzukommenden Menschen sagten, WO sie sich aufhielten. Sie sind der Bezugspunkt, auf den hin kleinräumlichere Ordnung erst möglich wird, weil er den großen Rahmen deutlich machte, in dem man steht. Und ohne diesen kann kein kleinräumliches Leben entstehen. 

Das beweisen die Steppen der Erde, die oft genug nicht einmal festen Individualbau entstehen ließen, sondern eine Siedlungsform des Nomadentums ergaben. Die ganz anders als heute gedeutet nichts mit ökonomischen Bedingungen zu tun hat. Sondern - mit der Möglichkeit, einen Ort zu finden. Dieser Ort aber muß zugewiesen, "da", vorhanden, gegeben sein, nur dann ist er göttlich. Nur dann gibt er jene umfassende Sicherheit, die auch das Vertrauen entstehen läßt, einen Ort dauerhaft zu gestalten und zu besiedeln.

Nur Mater/materia kann Mutter sein, die durch Form zu "etwas" wurde, zum Merkmal der Ordnung, die sie empfing. Berg als zur Form gefaltete Erde. Diese Vereinigung - Form und Materia - ist der Moment der Ehe aller Dinge, nie mehr zu trennen. Und wenn es nur die Erinnerung bleibt.

Sopron ist bereits viele Jahrtausende Siedlungsgebiet. Das belegen die archäologischen Funde. Der VdZ geht so weit zu behaupten, daß dies der Zeugungskraft des Schneeberg zu verdanken ist, der sich so besonders klar nach Westungarn hebt, und so die Landschaft ordnet und damit dem Menschen die Möglichkeit gibt, sich zu verorten - und das heißt immer: Kultur zu entfalten. Es war der Schneeberg, (gemeinsam mit den umstehenden Gebirgen, man denke an die Karpaten im Norden, die östlichen Gebirge, Siebenbürgen im Südosten etc.) der die ungarische Tiefebene seit Urzeiten zum Raum für Menschen mit hoher Kultur machte. Weil nur leben kann, was einen Ort im Raum hat. Ohne Raum - kein Leben. Raum aber muß geschaffen werden. Und er wird durch Orientierungsgestalten, durch Väter geschaffen, von denen das ordnende Wort ausgeht.

Muß da noch erwähnt werden, daß ganz Westungarn die hinter bzw. über den Schneeberg erreichbare Wallfahrtsstätte MARIAZELL (der "Magna Mater Hungariae") als - ja, man kann es so sagen - ersten Bezugspunkt zum Himmel hat? Muß man noch weiter spekulieren, warum Mariazell mit seiner "Magna Mater Hungariae" für Ungarn seit fast einem Jahrtausend - also quasi ab seiner Christianisierung unter König Stephan - so hohen Stellenwert hat? Muß man umgekehrt erwähnen, daß sich in der Tiefe der ungarischen Puszta, dort, wo kein Berg mehr hinreicht, der Schamanismus - subjektivistischer Religionsersatz der Ortslosen, jener, die NICHT VON SICH WEG AUF ETWAS, auf einen heiligen Berg HIN SEHEN, sondern die IN SICH schauen - bis in unsere Zeiten erhalten hat?



Der etwa  80 km entfernte Schneeberg (über 2000 m Höhe) von Ödenburg/Sopron (Westungarn) aus - Bildrechte im Netz



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