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Samstag, 5. November 2016

Von der Höllenerfahrung der Ossies (1)

Auf einen ausgezeichneten Artikel soll an dieser Stelle hingewiesen werden. Unter dem Titel "Der Haß der Entfremdeten" befaßt sich Thorsten Hinz in der Jungen Freiheit mit dem Phänomen des "Rechtsextremismus" in der ehemaligen DDR, namentlich am Beispiel der "brennenden Flüchtlingsheime" von Hoyerswerda et al. 

Martin Walser bezeichnete diesen "Rechtsextremismus" als "Kostümfaschismus". Und er tat es in Einsicht in eine seelische Landschaft von Menschen, denen nach 1990 so gut wie alles zerbrochen war, aber nicht nur das: denen auch alles genommen war. Die gesamte Lebensweise war in Frage gestellt, und paradigmatisch zur Erneuerung ausgeschrieben. Nunmehr htten diese Menschen nichts mehr - keine Arbeit, verwüstete und kahle Landschaften, per Außenbeschluß stillgelegte, verödete Betriebe, und keine Identität mehr.

Eine „Naturgewalt“ sei über sie hereingebrochen, „die das Gelände entseelte und die Betriebe verödete. Die sie enteignete ihres unbestimmten Besitzes, ihrer Sicherheit. (…) Wer waren sie nun. Ihre Blicke, ihre Rechnungen sagten: verächtliche Wesen. Das hatte man aus ihnen gemacht.“ (V. Braun) 

Die Kluft und das Gebaren der Skinheads, die auf körperliche Kraft, aggressive Männlichkeit und auf Einschüchterung abstellten, waren Mittel, sich von der Schwäche der Alten zu absentieren.

Und in diese Wunde, in diese Schwäche wurde sogar bewußt noch nachgestoßen. Der VdZ hatte Gelegenheit, genau das bei einem längeren Aufenthalt in Ostberlin noch 1997 hautnah kennenzulernen. Mit dem oft unglaublichen Verhalten von West-Deutschen, das freilich ohne offizielle Politik nicht zu denken ist. Die jeden Westdeutschen mit dem Siegesläclen von Okkupationstruppen ausstattete, gegenüber seelisch deutlich wahrnehmbar geknickter Menschen - den "Ossies".

Er war auch ins Umland gefahren, hatte dort die stumme Ratlosigkeit als Folge fast flächendeckender, politisch durchgesetzter Stillegungen oft sogar gerade erst errichteter Betriebe (wie eine nagelneue Molkerei, die gar nicht mehr in Betrieb gegangen war) erlebt. Die nun als Architekturleichen die Landschaft (Richtung Greifswalde) - mit ihren ebenso frischen, dicht belegten Siedlungen aus Plattenbauten - gespenstisch und absurd, gar nicht mehr wie eine Lebenslandschaft, eher wie ein Bereitstellungsdepot wirken ließen und jede geleistete Arbeit, jede Selbsterfahrung der Ostdeutschen verhöhnten. Die Menschen verstanden das alles nicht mehr, so hat der VdZ es wieder und wieder gehört, und sie hörten bald auf, sich mit Vernunft zu befassen. Die war nicht mehr relevant. Nun kam eine neue Lehre, die man zwar nicht verstand, aber die wohl stimmen mußte, weil sei die der Sieger war. Nun wurde von anderer Stelle über sie verfügt, sie hatten es hinzunehmen, mußten aufhören, es mit ihrem Verstand ordnen zu wollen.

Und in diese für viele Millionen Menschen furchtbare Situation, die man durchaus mit einer "Höllenerfahrung" gleichsetzen kann, weil keine Vernunft mehr zu greifen schien, hatte die westdeutsche Regierung nun den Beschluß gefaßt, auch noch Migranten auszulagern.  Ja, man muß es sogar so nennen, daß die im Westen selbst schon nicht bewältigen Probleme mit Migranten (oder will ernsthaft jemand von "gelungener Integration" sprechen, sieht man von Einzelfällen ab?) schlicht exportiert, zumindest zum Teil den Ostdeutschen aufgeladen wurden.

Das MUSZTE zu einer völligen Überforderung führen, und keineswegs zufällig explodierte die Situation erstmals in Hoyerswerda - einer in DDR-Zeiten per utopistischem Größenwahn am Reißbrett entworfenen "Stadt", die folgerichtig schon damals eine soziale Wüste aus Trostlosigkeit war, die bestenfalls das höhere Gehalt, das es dort gab, einte.

Wie Karl Otto Hondrich damals befand: „Eine gesamtdeutsche und zugleich eine multikulturelle Identität für das Ganze zu schaffen mutet der Gesellschaft mehr zu, als sie heute einlösen könnte. Es ist ein Zuviel an Gutseinwollen und Gutmachenwollen, was den bösen Deutschen hervorbringt.

Der Osten Deutschlands ist "besonders rechtsradikal"? Er ist "besonders fremdenfeindlich"? Wer es auf diese simplen Sprechblasen bringt hat sich nicht die Mühe gemacht, sich mit dem Thema überhaupt einmal zu befassen. Hinz geht nämlich noch weiter, und weist darauf hin, daß zu diesen realen Verwüstungen auch noch die intellektuelle kam. Denn sofort war ein intellektuelles Establishment da, das genau jene Ideologien des Multikulturalismus und sonstiger Vernunftlosigkeiten, die übrigens fast sämtlich auf Identitätsauflösung abzielen und im Westen bereits ein gigantisches Scheitern ausgelöst hatten, nun dem Osten überstülpte. Umso lieber, als sie dort so richteig "recht" bekamen. Da waren sie ja, die Rechten, die Bösen, die Nazis, die Rassisten. Wie in der Wirtschaft war die ehemalige DDR Jauchegrube für die Versagerschichte des Westens geworden, deren einzige Qualifikation war und ist, "westlich und gut" zu sein.

Hinz hat völlig recht wenn er schreibt, daß auch dieses Kapitel deutscher Geschichte, ja überhaupt die Geschichte der Wiedervereinigung völlig neu geschrieben werden müßte. Denn so, wie es erzählt wird, war und ist es nicht. Aber sie stellt einen Teil jener Erpreßbarkeit dar, die einer ganzen Weltanschauung hilft und die deshalb an einer Fama weiterschreibt, die die deutschen Völker dort hält, wo sie anderen Interessen bedingungslos weil "absolut schuldig" ausgeliefert ist, weil sein Heil nur in ihm übergeordneten Interessensystemen und Lebenswelten liegt, die es nicht selbst bestimmt, denen es sich nur eingliedern kann. Wo aber ein Volk, eine Kultur den Mut zu schöpferisch freier Gestaltung seiner Zukunft nicht mehr hat, ja nicht einmal darüber zu sprechen und damit zu denken vermag, ist es dem Tod und der Hölle ausgeliefert.



Morgen Teil 2) Was aber noch zu sagen ist





*210916*