Teil 2) Was aber noch zu sagen ist
Aus eigener Erfahrung mit manchen Westdeutschen seinerzeit wie heute fügt der VdZ aber noch mehr hinzu. Denn was den Ostdeutschen heute so leichtfertig nachgesagt wird, daß sie nämlich angesichts des erlebten Desasters einer ganzen Lebenswelt in der Hackordnung auf die zurückgriffen, die doch noch unter ihnen stünden, und sich dort austobten, muß man bestenfalls für sehr sehr viele Westdeutsche anwenden. Denn dort trifft es ohne jeden Zweifel zu, auch wenn es dieselbe Sichtweise der Barmherzigkeit braucht, dringend braucht. Denn die Entfremdung der Menschen ist auch ein Problem des westlichen Deutschland, nur ist es dort noch mehr tabuisiert.
Deshalb ist ein großer Teil jener Kräfte, die sich als "politische Empörung" ausdrückt, unbenannt weil unbenennbar - es ist die Entfremdung eines Volkes bzw. aller westlichen Völker, die um Begrifflichkeit sucht und oft hilflos nur auf vorhandene Begriffe zurückgreifen kann. Die Kastration des öffentlichen Diskurses, dieser Raubzug gegen die Freiheit, die zuerst eine Freiheit der Vernunftsuche bedeutet, wendet sich als Fluch auf uns selbst zurück. Denn sie verhindert eine Verobjektivierung der Gegenwart, verhindert den geistigen Raum den eine Sprache bedeutet, und erstickt ihn stattdessen unter Irrationalität, Moralismen und Ideologemen. Bevölkert die Bühne mit Figuren, die nur in ihren willkürlichen Phantasien vorkommen, verhindert aber das Bilden von Realfiguren, um die Aussage nach eigenem Belieben zu beherrschen.
Das Etikett "rechtsradikal" (im speziellen) als Verurteilung zu sozialer Ausgestoßenheit,
als Absprechen der Zugehörigkeit zur Menschheit durch Pathologisierung,
ist aber für gar zu viele Westdeutsche genau das: Die Chance, ihre
eigene Situation als Verlierer nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen, sich
keine Rechenschaft über ihre eigene Entfremdung gegen zu müssen, die
sie in Konflikt mit dem Establishment bringen würde.
Der
Zynismus hinter dieser Zuschreibung ist deshalb kaum zu übersehen -
denn Zynismus heißt, dem anderen den Boden wegzuziehen, und ihn dann des
wilden Herumschlagens zu zeihen, weil er Halt sucht. Ja, Zynismus heißt
oft genug, den anderen als böse zu wünschen, weil ... zur
Eigenbemessung als "nicht so böse" zu benötigen. Wenigstens also sich
moralisch über andere erhoben zu wissen, wenn man im Eigensein schon
nicht höher kommt - und auf die bewußt in letzte Hierarchiestufen
gedrückten "rechtsradikalen Ossies" (Ostdeutschen) voller Verachtung zu
spucken.
Wo
der braungebrannte, wohlbenährte, aber unglaublich übellaunige kaum
50jährige Frühpensionist (!) - der VdZ hat genau so eine Situation
erlebt - sich über die kleine Warteschlange beim Busbahnhof unflätigst
schimpfend erregt, und dem "Osten" völlige Unfähigkeit zu allem
vorwirft, denn das gäbe es "bei uns" im Westen nicht, das hätten "wir im
Westen" perfekt organisiert. Und wo heute Sozialhilfeempfänger aus
Berlin davon sprechen, daß diese "rechtsradikalen, rassistischen Ossies"
den Mund halten sollen, immerhin haben "wir" sie mit hunderten
Milliarden aufgepäppelt.
Nachsatz: Erst wußte der VdZ nicht, was er mit diesem Bericht aus einer Erstaufnahmestelle für Migranten anfangen sollte. Nun, hierher paßt diese Erzählung der Groteske. Denn wer nach diesem - typischen! - Bericht noch behauptet, daß wir es hier mir Vernunft zu tun haben, dem ist ob seiner Blindheit nicht mehr zu helfen. Wo aber Vernunft nicht mehr greift, da ist Hölle.
*210916*