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Sonntag, 20. November 2016

Prüfstein der Humanwissenschaften (3)


Teil 3) Moralische Urteile als Forschungskriterien 



Fahren wir mit einem simplen Beispiel fort: Wenn jemand meint, daß die menschliche Gesellschaft vom Kampf jedes gegen jeden, und darin vom Kampf der Klassen geprägt ist, dann wird er nur nach jenen Kriterien bewerten, die diesen Kampf messen, so wie man das Fieber mißt. Seine Forschung wird also nur die graduelle Reife eines Zustands evaulieren, den es so aber gar nicht gibt, der auf diese Weise die Verfaßtheit der Menschen gar nicht bestimmt. (Im speziellen Fall gilt ja, daß "Klassenkampf" nur ein temporärer und sehr sehr eingrenzbares Teilphänomen sein kann, das unter sehr bestimmten Umständen auftritt, sich aber auch sofort wieder auflösen kann.) Sehe ich den Menschen so, werde ich also zwar "viel" messen, aber es wird keine Relevanz haben. Ziehe ich diese Ergebnisse aber nun heran, um das Wahlverhalten der Menschen, ihr Ansprechen auf bestimmte Wahlprogramme oder Persönlichkeiten einzuschätzen, werde ich mich sehr wahrscheinlich völlig irren.

Und das meint dieser Artikel. Speziell in der poltical correctness hat man sich fatal geirrt. Weil man die von ihr vertretenen Werte selbst für moralisch überlegen hielt, hat man nicht gesehen weil gar nicht sehen können, daß sie von den Menschen nicht nur nicht vertreten werden, sondern sogar definitiv als Bedrückung erfahren und abgelehnt werden. Nur hat man deren Propagierung und Implementierung lange Zeit erduldet, nicht zuletzt weil man meinte, sie würden tatsächlich das sein, was offiziell und wissenschaftlich untermauert "gut" wäre, nur von ihnen selbst nicht so gesehen würde, sodaß sie sich als "unmoralisch" sahen, sobald sie zu diesen Meinungen standen. 

Auf diese Tatsache reagiert die Sozialwissenschaft aber nun neuerlich mit moralischen Urteilen, anstatt sie neutral zu untersuchen: Warum hat man sie nicht erfaßt? Damit läuft sie Gefahr, jede Relevanz zu verlieren, ja eigentlich verstößt sie gegen das Prinzip der Wissenschaftlichkeit selbst. Die im Fall, daß eine Vorhersage nicht eintritt, ja nicht den Vorgang den sie untersuchte für "schuldig" erklären kann, sondern sich fragen muß, ob die Kriterien der Prozesse, nach denen diese Vorhersagen getroffen wurden, überhaupt stimmen.

Nun trüge dieser Schluß des Einfließens von Moral (Ethik) in die wissenschaftliche Betrachtungsweise ja sogar eine tiefe Richtigkeit in sich! Das übersehen die meisten der Kritiker der Sozialwissenschaften fast immer, was mit einer weitgehenden Dominanz einer "rationalistischen Wissenschaft" (Popper, Whhitehead etc.) zu tun hat, die ja gleichfalls von einer Immanenz der Welt ausgeht, und sei es aus Verzweiflung ob der "nicht-wissenschaftlichen Nachprüfbarkeit" der Metaphysik, des Transzendenten. Popper kam damit zum Schluß, daß weil dies nicht möglich sei, zugleich aber Erkenntnis ein VORAUSGEHENDES metaphysisches Bild BRAUCHT, weil erst der Sinnhorizont sagt, WAS man überhaupt SIEHT, was also empirisch ist, ein solches Telos ZU SETZEN ist. Und sei es im Mythos.

Fast notwendigerweise also hat sich die Naturwissenschaft (und die Sozial- bzw. Humanwissenschaft) genau darauf zu bewegt.

Wenn sich aber die Sozialwissenschaft zu diesem Schritt entschließt, muß sie sich zuerst ... der Ethik, und damit der Metaphysik aussetzen. Das verweigert sie aber, in dem belegbaren Zirkelschluß, in dem sie DOCH von einer materialistischen Welt ausgeht und (man sieht es in der Post Normal Science, die derzeit in enormen Tempo die Universitäten umwirkt) anderseits erkennt, daß es ohne Ethik nicht geht. Also nimmt sie sich die Freiheit, diese ethischen Kriterien WILLKÜRLICH zu setzen. Damit muß sie aber erst recht erblinden. weil Ethos ohne Wahrheit (die im logos zusammenfließen, weil logos dieser Zusammenfluß IST) nicht möglich ist.

Weil aber eine materialistische Sichtweise nur innerweltliche Logik produzieren und denken kann, kann Wissenschaft die Gott, ein absolutes Sein ausschließt, ohne eine "Lähmung", ein starres Bild von Wahrheit nicht bestehen. Auch das also ein Zirkelschluß, der reinem Pragmatismus erfließt. Sie muß also immer mehr erblinden, denn ohne eine personal aufgefaßte Wahrheit kann eine Offenheit ins Unendliche ("Ergebnisoffenheit") gar nicht stattfinden, es würde sich jedes Erkennen völlig auflösen. Ergebnisoffenheit ist nur möglich, wenn Wahrheit ein an sich ist, AUF DAS HIN sich der Mensch öffnet. Und DAS ist dann seine sittliche Leistung - und DAS ist auch die Bedingung für "Objektivität": Als persönliche Offenheit für die Wahrheit. Diese erfordert also eine Beziehung zu dieser personalen Wahrheit. Wissenschaft ohne Gott wird immer blind.

Genau diese Blindheit hat dazu geführt, daß die Strategen der Demokraten falsche Entscheidungen getroffen haben. Denn auch die ausgeklügeltsten Computerprogramme liefern nur Müll, wenn (wie in diesem Fall) die Algorithmen deshalb falsche Schlüsse ziehen, weil die Kriterien nach denen sie entscheiden falsch sind weil die Realität, das Objekthafte, das Objektive in den Humanwissenschaften nicht oder ungenügend erfaßt wird. Daß dies weltweit der Fall ist hat deshalb direkt mit der Internationalisierung der Wissenschaft zu tun, die sehr oft den Charakter einer "Gleichschaltung" hat. Sie in globalisiertem Maßstab keineswegs prinzipiell besser wird, sondern sogar die Gefahr provoziert, daß die noch viel größere, viel mächtigere Meinung, der Mainstream also, der in ihr herrscht, ihre Irrtumsneigung durch die Harmonisierung der Herangehensweise sogar erhöht.

Die Trump-Wahl in den USA (und ihr entsprechende Entwicklungen auf der ganzen Welt, sie ist keineswegs das erste oder einzige Phänomen dieser Ausprägung) hat also gezeigt, daß viele der bisher vermeinten Gewißheiten offenbar nicht stimmen können, also falsche Gewißheiten sind, die über den Status plumper Voreingenommenheit nicht hinauskommen. Sie ist damit zum Prüfstein nicht nur der Sozialwissenschaften geworden, die sich zu fragen haben, ob ihre bisherigen Ansätze, Methoden und Kriterien nicht zu hinterfragen sind. Weil ihre Ergebnisse die Wirklichkeit nicht abbilden. Um das zu erreichen, ist aber viel mehr nötig als ein "Erweitern". Es ist ein Paradigmenwechsel, der selbst der Wandel wäre, der einer wie heute fundierten Wissenschaft aber prinzipiell entgeht. Den Humanwissenschaften der Gegenwart also nicht einmal in seiner Relevanz als Wandel erkennbar wird.

Schließen wir deshalb mit einem Zitat aus dem Artikel, der zwar, wie wir versucht haben zu zeigen, selbst zu kurz greift, aber immerhin Symptome richtig beschreibt.

"People have been taught for years that traits such as competitiveness, individualism, aggression, confidence, and national pride are morally suspect, and here comes a figure who is unafraid to challenge that. I’ve heard mentioned that Trump is tapping into many people’s disdain for political correctness, but that’s just the tip of the iceberg, in my opinion. I think he’s tapping into a broad resistance to contemporary moral beliefs, beliefs that have become increasingly institutionalised over the past fifty years.

The problem is that these are precisely the beliefs that are held above inquiry in the social sciences. Under normal scientific conditions, scientists would simply say ‘oh, it looks like we underestimated the extent to which these values are drivers of human behaviour, let us adjust our models’. But social scientists can’t do that, so all they can do is declare them immoral, whether it be Brexit, or Trump, or the movements in France and Germany and many other Western countries that are currently building." (Zitat aus quillette.com)





*Das social engineering wurde auch als Begriff erstmals 1908 etabliert, und in den 1920er Jahren von den Ford-Werken aufgegriffen. Von dort aus griff es bald auf die gesamte USA aus. Ford hatte die Erkenntnis, daß die Arbeitsleistung an den Fließbändern von den psycho-sozialen Verfaßtheiten seiner Mitarbeiter abhing, dahingehend interpretiert, daß es somit möglich sein müßte, über geplante, gesteuerte Veränderung der Befindlichkeiten seiner Mitarbeiter die Effizienz der Produktion zu steigern. Auf der Grundlage des zur selben zeit entsehenden amerikanischen Behaviourismus als bis heute dominierende Psychologie, die davon ausgeht, daß sich der Mensch immer gemäß den äußeren Bedingungen verhält und wandelt. 

**Eine absolute Dimension in Gott, als Gott, der "außerhalb" der Schöpfung steht, auf diese aber einwirkt, lehnte Hegel ab. Damit wird er zurecht als neuzeitlicher Gründer einer "Metaphysik des Materialismus" gesehen, weil das Sein nur noch historisch-innerweltlich, aber zwanghaft "logisch" (damit "wissenschaftlich") in seinem Ablauf wird. Darauf griff dann Karl Marx zu, der völlig richtig erkannt hatte, daß Hegels "Metaphysik" streng logisch betrachtet gar keinen Gott "brauchte". Der war zur bloßen innerweltlichen Vernunft abgesunken, die ohnehin der Welt zugrunde lag, sonst gäbe es ja kein Sein. Damit war für Marx der Weg zu der Folgerung geebnet, daß der Kommunismus mit völliger Sicherheit am Ende aller Geschichte stehen mußte, ja das Ende der Geschichte selbst war, deren treibende Kräfte ausschließlich Verfehlungen des Seins waren. Die im Kommunismus zur Ruhe kommen würden weil wollten. 





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