Eines muß man der Verfassung Österreichs lassen: Sie ist von ihrem
staatsrechtlichen Denken her so gut gebaut, daß es tatsächlich noch
keinen Fall seit 1945 gab, der sie hätte sprengen können. Es war selbst
möglich das Chaos vom Ende Mai zu lösen, wo es innerhalb von zwei Wochen
zu drei Regierungen kam.
Wer
sich die Männer ansieht, die damals in die Diskussionen um die
Verfassung eingeschaltet waren, versteht auch warum. Es waren sämtlich
Männer, die vor der Situation standen, daß das, was einzig ein Volk
stabil halten kann - die Monarchie, die monarchische Struktur - unter
den neuen Prämissen (und unter dem Diktat des Völkerbundes, der das 1919
verbot) nicht mehr möglich war. Also versuchten sie, die inneren
Strukturen der Monarchie nachzubilden, und damit auf jeden Fall ein
Chaos zu vermeiden, das ohne Monarchie zweifellos ausbrechen würde. Und
dann (Stichwort "Diktatur") zu Gewaltstrukturen führt, die wieder
dasselbe machen: Eine Monarchie nachbilden, der aber die Legitimität
fehlt.
So
erklärt sich die dem König (Kaiser) ähnliche Stellung des
Bundespräsidenten in Österreich, die diesem schon kraft der Struktur,
auf die er sich berufen kann und sogar muß (!), die auch in solchen
bewegten Tagen "für alles" eine Lösung parat hält. Wenn man heute also
die letztlich wirklich ruhige Entwicklung ansieht, die Österreich Ende
Mai trotz allem nahm, auf die Person Alexanders von der Bellen
zurückführt, so zeigt sich nur der Verblödungs- und Unbildungsgrad der
Menschen. Van der Bellen hat nichts davon "geleistet".*
Vielmehr
muß man sogar sagen, daß wo immer er Persönliches einbrachte, die Sache
stinkt - wie bei der Lösung, einen weiblichen Interimskanzler zu
installieren. Was bestenfalls noch mit dem althergebrachten Volksrecht
sanfter beurteilt werden kann, daß Frauen, Mütter, Ehefrauen, Witwen von
Monarchen, den Thron in der Zeit der Abwesenheit eines Monarchen
erstens ganz im Sinne des Mannes fortführen, zweitens aber nur
"freizuhalten" hatten, bis der oder ein Monarch wiedergefunden oder
zurückgekehrt war. Und exakt das hat Frau Brigitte Bierlein zu
leisten: Den Stuhl stellvertretend bereithalten, bis der nächste Kanzler
gewählt ist, und ihn in der Zwischenzeit niemand besetzen kann.²
Das
ist im alten Herzogs- und Königsrecht der deutschen Völker, also auch
der Bayern (und das heutige Österreich ist zur Gänze - außer dem
Burgenland - ursprünglich bayrisches Gebiet gewesen) sogar bildlich
gesehen worden. Man denke an das alte Kärnten. Da steht im Zolllfeld in der Nähe des Magdalensbergs, der ältesten und ersten Hauptstadt des Herzogtums Kärnten (dessen Herzogshaus mit Arnulf sogar einen deutschen Kaiser stellte), noch heute der uralte, steinerne Herzogsstuhl: Ein (immer
gewählter, zumindest der Zustimmung der Volksvertreter und
Stammeshäupter unterliegende) Herzog hatte zur Inbesitznahme des Amtes
den Stuhl drei Tage (wörtlich) "zu besetzen". Dann "besaß" er das
Herzogtum. Und Besitz heißt nicht "absolutes Eigentum". Besitz heißt
auch nach heutigem Recht nur "Verfügungs- oder Nutzungsrecht".
Wobei dieses heutige Recht immer noch das "ersessene Eigentum"
kennt. Und auch in der deutschen Krönungszeremonie hatte die
Stuhlergreifung ihren besonderen liturgischen Rang. Der König, der Kaiser
war erst Kaiser oder König (etc.), wenn er "am Stuhl", also
"inthronisiert" war. Thronus ... klingelt es?
Wie heute
also noch. Die Assoziationen fliegen dabei, die die Ahnung voller
machen: Nicht nur bei Königen, auch bei einem Bischof, ja bei einem
Papst spielt das reale Sitzen seine ungebrochene Rolle. Man denke noch
weiter, denke an "ex cathedra", also "vom Stuhle aus". Sogar der
Papst hatte sich sein Amt "zu ersitzen", diesen "Stuhl Petri" - und man
kennt vom päpstlichen Zeremoniell die "sedes gestatoria", der
Stuhl, auf dem der Papst getragen wurde oder einige Zeit zu sitzen
hatte. Und jeder Katholik kennt sein Glaubensbekenntnis: "Sedet ad dexteram Patri" - "Sitzet zur Rechten des Vaters, von dort wird er kommen ..." usw. usf. Sitzen ist mehr als seine fleischbehangenen Knochen niederzufletschen ...
Oder
man denke an den historischen Umstand und seine Implikationen, zusammen
mit dem Größenwahnsinn, der in der Renaissance einsetzte. Man denke
daran, daß man erst ab hier saß. Ja es ist ein Merkmal der Neuzeit, daß
man nun allgemein "saß". Es ist noch relativ jung, daß in der Kirche
gesessen wird. Auch das ist eine Vorbereitung des Zweiten Vatikanums und der
ihm folgenden Liturgiereform, die alle diese inneren geistigen Wege in
Zement goß. Vorher "saß" nur der Oberste, der König, Fürst, Leitende,
Prälat etc. Es sei aber alles nur noch nebenbei erwähnt, denn wir
schweifen wie üblich wieder einmal unzulässig ab.
Zurück. Nicht mehr als diese Stuhlwahrung hat
auch diese gesamte "Regierung" zu bedeuten, die eben das nicht ist, als
was sie verkauft wird, Regierung. Sie hält die Stühle warm. Bis eine
Regierung wieder besteht und gewählt wurde. Jede Wette - sie wird sich
nicht darauf beschränken ...
Morgen Teil 2) Sedet ad dexteram patris
*030619*
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