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Samstag, 31. August 2019

Vom Wesen des Guten Handelns (4)

Teil 4)



Hier macht sich ein nächster Punkt kund, an dem Peterson sich widerspricht. Wobei dieser Widerspruch an dieser Stelle durchaus wie ein "Weg auf - zu" wirkt, eingestanden. Denn wer "auf etwas zu" geht, ist zuerst vom Ziel ergriffen, um dann nach und nach seine Einzelteile darauf hin auszurichten. Lassen wir das so stehen. Denn wenn er zurecht kritisiert, daß er an dem Satz, daß Religion eine Illusion, daß sie "Opium für die Massen" sei, nicht sehr überzeugend finde. Denn gerade das Christentum predige ja die Verderbtheit der Menschen, predige die Erbsünde, predige sogar, wie schmal der Weg in den Himmel (das einzige, was man als Utopie durchgehen lassen kann) sei. Würde er, Peterson, Opium verteilen, würde er allen High Life und Wegfall der Erbsünde predigen! (Naja, klingt nicht wirklich überzeugend, sagt der VdZ.)

Es gehe dem Marxismus aber darum, führt Peterson aus, durch Religionskritik die Menschen von dieser Illusion zu befreien, auf daß sie sich selbst wie eine Sonne umkreisten. Klingt das nicht wie pathologischer Narzißmus? Macht das Kreisen um sich selbst glücklich? Ist es nicht anders, daß jeder um "etwas anderes", um einen Anspruch, eine Idee, eine Aufgabe kreisen möchte, gebraucht wird, sich in etwas investieren, sich an eine Sache hingeben kann?

Die Welt, so Peterson, ist eingebettet in den Traum. Poesie, Träume sind aber das Geburtsbett des Denkens. Das heißt, daß sich das Denken aus diesem Konglomerat an Gefühlen, Emotionen, Konflikten erhebt, und damit die Erfahrung über die Struktur der Welt enthält. Wer keine Träume (und Poesie) hat, wer davon ferngehalten wird (siehe: die Folter des Schlafentzugs), verliert buchstäblich seinen Verstand. Da wollen wir nix Gegenteiliges dazu sagen, das ist so. Das läßt sich sogar an Tieren zeigen. Der Mensch MUSZ träumen (können).

Das kann, ja muß auch widersprüchlich sein, so wie wir eben aufs erste als "Schaltstelle der faktischen Welt" eben sind. An deren Grenze die Poesie steht, als Vorstufe zur voll artikulierten Gedankenwelt. Hier tritt der Traum erstmals in die Stufe der Artikuliertheit, also des vollen Denkens.

Das führt Peterson in nämlichem Vortrag folgerichtig zur Frage, ob er selber an Gott glaube. Und in der Vorsicht, in der er sich zu dieser Frage äußert, wollen wir ihm denn doch zustimmen. Denn auch dem VdZ ist es seltsam zumute, wenn ihm Personen begegnen die sagen, sie würden "glauben". Wo, wann der Horizont hoch genug ist, in dem das Bewußtsein sagen kann, daß es "vom Glauben geprägt" sein, der Mensch also "glaube", kann er kaum beantworten. Es wäre auf jeden Fall in seines Handeln und Reden und Denken zu suchen. Als Fußabdrücke dessen, was man für wirklich hält. (Kardinal Newman sagt deshalb einmal so richtig, daß er überall dort, wo er sündige, zeige, daß er nicht glaube.)

Aber ansonsten bleibt der alte Spruch des VdZ: "Ins Bewußtsein steigt, was fehlt." Wer "glaubt" sagt im Grunde nur, daß er "glauben will". So wichtig dieser Wille ist, so große Vorsicht sollte man vor so manchen walten lassen, die da lauthals vor sich herposaunen, daß sie "glaubten". Und vielleicht sogar noch zu jenen gehörten, die die konkrete Kirche handfest kritisierten, die es aber doch war die ihnen (wenn, dann ...) gab, was sie bei der Taufe von ihr erbeten haben: Den Glauben! Peterson hat schon recht, wenn er deshalb sagt, daß das, was man sagt, nicht immer das ist, was man glaubt. Das drückt sich eher in eines Handlungen aus. Wer glaubt handelt aber immerhin zumindest "als ob" er Gott für eine Wirklichkeit hielte. Wer glaubt ist der, der ständig mit Gott ringt, wie Jakob in der biblischen Erzählung. "Israel" heißt ja nichts anderes: Der, der mit Gott ringt!

Nur mit dem "als ob" kommt man also nicht weit, und zwar in der Macht in der Psyche. Es braucht die reale Erfahrung. Es verwundert eigentlich, daß Peterson das noch nicht bemerkt hat, daß es sich in seinem Denken nicht auswirkt. Es ist nicht "gleichgültig", ob es Gott gibt oder nicht, und man ist nicht schon besser dran, wenn man ihn zumindest nicht ausschließt. Das Entscheidende an der "Idee Gott" ist etwas anderes. Es ist ... die Geschichtsmächtigkeit. Selbst als Idee wäre Gott wertlos, das müßte der Psychoanalytiker wissen. 

Es ist deshalb keineswegs gleichgültig, ob die Bibel "Metaphern", "psychoanalytische Archetypen" oder "reales, geschichtliches Geschehen" erzählt. Ohne Geschichtlichkeit wäre Gott tatsächlich nur eine wirkungslose Idee! Und der Unterschied darin drückt sich direkt in der menschlichen Psyche und in eines Denken aus. Das seine Fundamente in der Realität hat, also - in der Geschichte. Denn von dort erst kommen die Gedanken. Ohne Historizität bleibt alles tatsächlich nur Vision, Illusion, dann hätte Marx (beziehungsweise Feuerbach, auf den sich Marx ja bezieht) Recht gehabt. Dieser Unterschied soll sich nicht im Denken in der psychischen Struktur als dessen Basis auswirken? Genau das läßt sich sogar nachweisen. Im Gedankengebäude eines Menschen zeigt sich alles. Auch das.

Morgen Teil 5)