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Donnerstag, 8. August 2019

Nachbemerkung zur Produktivität von Volkswirtschaften (1)

Wir knüpfen noch einmal an die in den letzten Tagen hier zu findenden Thesen zur Situation des Geldwesens in unseren Volkswirtschaften an. Und zwar an dem Punkt, wo der nach Eigendefinition liberal-konservative* Krall auf eine Kennziffer hinweist, die anzeigt, daß unsere Volkswirtschaften in den letzten Jahrzehnten an Produktivität gegen alle offiziellen Aussagen eingebüßt hat. Krall tut es, indem er auf das Verhältnis von Beschäftigtenzahl und Bruttoinlandsprodukt hinweist. 

Kurz gefaßt sagt Krall (und das hat seine Logik), daß ein Wirtschaftswachstum (als Wachstum des BIP, also der Summe aller in einer Volkwirtschaft erzielten Einkommen) immer im Verhältnis zur Gesamtzahl der Beschäftigten gesehen werden muß. Wenn wir also wie schon lange behaupten, wir hätten ein Wirtschaftswachstum von x Prozent, und gleichzeitig aber die Zahl der Beschäftigten um eben solche x Prozent (oder mehr) wächst, so haben wir in Wahrheit eine Kennzahl vor uns, die zeigt, daß eine Volkswirtschaft an Produktivität eingebüßt hat. 

Simpel gesagt: Wenn es mehr Menschen gibt, die arbeiten, steigt natürlich das BIP. Das hat aber nicht mit dem zu tun, was ein Schuldensystem bräuchte, das darauf spekuliert, daß es durch Produktivitätssteigerungen auch rückzahlungsfähig bleibt. Wenn wir also wie in Österreich behaupten, daß wir ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent erzielten, gleichzeitig stolz vermelden, daß die Zahl der Beschäftigten um zwei Prozent gewachsen ist, heißt das nichts weniger als, daß immer mehr Menschen immer weniger Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften.

Also ist Kralls Aussage nicht falsch. Es beweist aber fast im selben Atemzug noch, daß er manche Parameter dennoch falsch sieht. Denn Krall geht wie fast alle heutigen "Ökonomen" (Krall sagt sehr richtig, daß die Ökonomie deshalb keine Wissenschaft ist, weil sie nicht mehr ist als eine Ansammlung von Thesen und Theorien) von der Annahme aus, daß die Zunahme des Einsatzes von Computern, die Entwicklung der Industrie zur "Industrie 4.0", also zur völlig von Robotern beherrschten Welt, das "Internet der Dinge", also kurz die Zunahme des Einsatzes von Elektronik und Robotern auch die Produktivität der Wirtschaft STEIGERN würde. ABER DAS IST FALSCH.

Und es ist die typische Fehleinschätzung von Technizisten. Die meinen, der Einsatz von Maschinen (und selbst ComputerPROGRAMME sind Maschinen) würde die menschliche Arbeit ersetzen, also die Güterproduktion vereinfachen weil optimieren. Produktivitätszuwachs, also "mehr Ausstoß zu geringerem Einsatz", sei deshalb mit dem Einsatz von Technik verbunden, während der Mensch sich mehr und mehr auf die Überwachung der Prozesse beschränken, und sich ansonsten in die Hängematte legen und die Früchte ernten könne.

Solche Einschätzung beruht auf einem schrecklichen Irrtum. Denn wo immer eine Maschine eingesetzt wird, und das sagt uns die Logik (nicht zuletzt wie im ersten thermodynamischen Hauptsatz in der Physik ausgedrückt) entstehen Reibungsverluste. Das heißt, daß eine Maschine zwar BESTIMMTE Vorgänge erleichtern kann, daß sie aber im Insgesamt betrachtet MEHR Energie, also mehr Aufwand benötigt. Also, wieder einmal simpel ausgedrückt: Wer einen Traktor einsetzt, wird zwar tatsächlich in viel kürzerer Zeit sein Feld ackern und bearbeiten können. Aber was er am Feld an Zeit spart, wird durch den Aufwand, den das Herstellen, Halten und Pflegen des Traktors erzeugt, mehr als kompensiert, es wird überstiegen. Zwar können dort wieder Maschinen eingesetzt sein, aber hier gilt dasselbe. Irgendwann landet das alles also ganz simpel ... beim Menschen. Beim arbeitenden Menschen.

Damit ist auch klar, daß ein zunehmender Einsatz von Technik, daß auch das groß angekündigte Computer- und Roboterzeitalter, im Insgesamt einer Volkswirtschaft betrachtet MEHR Arbeitskräfte benötigt! Das vor Augen gestellt ist das, was wir in unseren Volkswirtschaften beobachten - der Zuwachs an BIP wird von der Zunahme der Beschäftigungszahlen flankiert und sogar übertroffen - also sogar die ANZEIGE einer Zunahme des Technikeinsatzes in unseren Ländern.

Aber noch weiter muß man die Sache in ihrer Realität sehen: Ja, es mag sein, daß man mit besserer Technik in der Zeit x mehr Autos, mehr Bongotrommeln oder mehr Tanzschuhe herstellen kann. Was man aber gerne übersieht ist, daß der (insgesamt erhöhte) Aufwand (ob an Arbeit oder Energie, also wieder Arbeit) ganz einfach umverteilt wird. Und das ist letztlich genau das, was "Globalisierung" meint und macht: Sie verteilt den Aufwand in irgendwelche Weltgegenden. Und dieser Mehraufwand weist sich nur deshalb nicht aus, weil die Kosten (Geld) für diesen Mehraufwand durch lokale Bedingungen (niedriges Lohnniveau, geringere Umweltstandards, entmenschlichtere Arbeitsbedingungen, Steuervorteile etc.) "ausgleichen".

Und noch etwas muß uns klar sein: Daß dieser Zusammenhang Effizienz und Schulden uns von zwei Seiten her in ein unmenschliches System zwingt. Von dem wir nicht zuletzt unseren Sozialstaat zahlen! Es ist nicht nur der Umstand, der Zinsnahme per se zu einer Todsünde macht, weil hier der Mensch einer ihm, ja der Wirklichkeit fremden mathematischen Zwangsmethodik unterwirft, weil Zins die menschlichen Bedingungen nicht berücksichtigt (die immer die Einberechnung von Schicksal, Krankheit, Übel aller Art, und auch von Fehlern und Schwächen sein muß), sondern wir unterwerfen uns noch mehr der Zwangslogik von Maschine und Kapital.

Das heißt, wir gliedern unsere Arbeit nicht in menschliche Rhythmen und Abläufe ein, sondern wir machen es umgekehrt: Maschinen müssen immer laufen! Darauf sind sie angelegt, wenn man sie als Kapital betrachtet, das "arbeiten muß". Wir unterwerfen unser Leben also einer mathematischen Zwangslogik! Und das ist in sich unmenschlich und in kurzen Phasen gerade noch möglich, als Grundkonzept aber schwer sündhaft. Denn niemals darf der Mensch zum Mittel werden, oder sich selbst zum bloßen Mittel machen, um einen Zweck zu erreichen. Er ist in sich Zweck! Und das darf und kann nicht durch "Lustgewinn" abgekauft werden.


Morgen Teil 2)



*Liberal und konservativ sind in Wahrheit Widersprüche. Denn nur wer NICHT liberal ist, kann auch konservieren, also bewahren. Man bewahrt nicht, indem man die Dinge einfach sich selbst überläßt.