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Donnerstag, 22. August 2019

Man denkt anhand eines Du (1)

Manche meinen, in diesem Interview habe E. Michael Jones seine bisherige Glanzleistung abgeliefert. Kaum wo habe er so umfassend und tief die Zusammenhänge aufgezeigt, mit denen er sich seit vielen Jahren befaßt und denen er mit jedem Gespräch, mit jedem Buch, mit jedem Text mehr immer greifbarer näherkam und -kommt. So sehr der VdZ den Amerikaner immer geschätzt hat, dem er sogar so manches verdankt, hat er freilich bislang einige Denkprobleme bei ihm gefunden, sie ab und an auch formuliert, der Leser wird sie an dieser Stelle finden. Umso gespannter war oder ist er, zu welchen Ergebnissen Jones nun, wo er sich mit diesem Kernthema aller seiner bisherigen Arbeit eingehend befaßt, nun kommt.

Nun, wir wollen aber auch das gleich vorwegnehmen: Es ist ein Einblick in die aktuellen Denkbewegungen von E. Michel Jones, und darin sind Entwicklungen erkennbar, die uns Freude machen. Das Gespräch ist gewissermaßen eine Operation am schlagenden Herzen, und man merkt stark wie selten, daß es Jones nicht anders geht wie dem VdZ bei Texten und in der Sprache: Daß sich im Gespräch der Gedanke jedesmal neu gebiert. Da ist nichts abgestanden oder nur wiederholt, das ist alles lebendig. Drum messen wir nicht mit dem strengen Urteilsstab, sondern kommentieren, wo notwendig, indem wir unser Mitdenken als Beteiligung an einem Werk verstehen, an dessen Ende, nach dem Schluß dieser Artikelserie, die diese Interviewbesprechung einmal mehr und absehbar wird, für den Leser hoffentlich ein klares, in sich stringentes Bild entsteht.

Spannend fand der VdZ das Gespräch deshalb allemal, das vielleicht nicht sein vollkommenstes, aber sein interessantestes ist, darin stimmen wir manchem zu. Wer Jones Weg etwas verfolgt, weiß, daß er derzeit an einem Buch schreibt, das er vorerst mit "Die Geschichte des Logos und der Logos der Geschichte" betitelt. Jeder Denker (und denken ist immer eine Frage der Konkretisierung in Sprache, also der Erinnerung, des geschriebenen, zumindest des ausgesprochenen Wortes) geht ja seinen Weg analog zu seinem Voranschreiten in der Welt der Begriffe, und der Präsenz dieser Stufen, die er da erklimmt. 

Wo er in stetigem Voranschreiten alle Begriffe wieder und wieder vor dem Antlitz des Ewigen - also der Präformation des logos selbst, dabei "im" logos - "foltert", um sie noch exakter zu erfassen. Ein prinzipiell unendliches und immer unerfüllbares Unterfangen, denn es geht um nichts anderes als um ein Hereinspiegeln des Wissens, des Denkens Gottes, der Geist ist. Weshalb die Haltung dabei das Entscheidende ist. 

Hier von einer gewissermaßen "automatisierten" Entwicklung des menschlichen Denkens als sprachlicher Präsenz des logos auszugehen, wie Jones früher anzunehmen neigte, entspricht jedenfalls nicht dem Wesen des logos, das als Immer-Ewiges "quer" zur historischen Zeit steht, und diese historische Zeit zwar immer einen Einblick in den Stand der Auseinandersetzung mit der Vorsehung (dem Wissen) Gottes gibt, aber keineswegs (wie Hegel es annahm) deren qualitatives Voranschreiten garantiert. Hegels Dialektik einfach so mit Göttlicher Vorsehung und "List" gleichzusetzen, wie Jones es zuvor gerne mal tat, ist damit unzulässig und falsch.

Was immer als Sprache zur Welt kommt, ist vor allem aber einmal ein Zeugnis der Entwicklung des Sprechenden. Jones hätte man hier manchmal schon früher im Sinne eine größere Präzisierung gewünscht, er hätte sich um diesen Begriff speziell - logos - bislang etwas mehr gekümmert. Denn eine gewisse Tendenz zur hegelianischen "pragmatischen Oberflächlichkeit", diesen "logos" einseitig mit Ratio, Hegels Dialektik einseitig als "Kampf von These und Antithese" und "rationale Abklärung und Ausfällung einer Synthese in der Zeit" als nächste evolutive Stufe menschlicher Vernunft zu vereinfachen, konnte man ihm nicht absprechen. In diesem Evolutionismus stecken aber nicht nur massive Widersprüche, sondern sie führen zu einer unheilvollen Entwicklung, wie sie im 20. Jahrhundert in des Jesuiten Teilhard de Chardins Thesen gipfelten. Die heute in einem absurden Heilsoptimismus eine beängstigende Renaissance erleben.

Darin eingeschlossen ist auch dieser gewisse "ökumenische, interkulturelle Optimismus", den man nicht ganz teilen kann. Der aber zweifellos aus den vielen weltweiten Kontakten von E. Michael Jones herrührt. Und wer würde im persönlichen Kontakt in den allermeisten Fällen nicht zu einem eigentlich positiven Urteil über alle Menschen der Welt kommen? Sie sind nicht "so böse", selbst wenn sie völlig andere Weltanschauungen und Religionen vertreten. Aber speziell die Verankerung in einer Religion, in der nämlich, in der man aufgewachsen ist, geht viel tiefer als über bloßen Disput zu lösen wäre.

Denn die Bereitschaft zum logos (und nur darum kann es gehen; kein Mensch "besitzt" ihn oder spiegelt ihn aus sich heraus wieder, das ist immer ein Gnadenakt) als dessen Bejahung ist zuallererst eine sittliche, und damit eine religiöse Entscheidung, nicht einfach eine der Ratio, der Logik, die quasi unter Gelehrten zu klären wäre. Wenn dann im Scheiden noch eher, als im Annehmen und "tun", wie es Denken eben ist: Eine ganzheitliche, ganzpersonale Handlung. 

Der VdZ hat übrigens mit Jones diesbezüglich bereits korrespondiert. Manche dieser möglichen Mißverständnisse haben nämlich sogar mit der Begrenztheit der englischen Sprache zu tun. Die für Philosophie nur bedingte Tauglichkeit hat, weil ihr viele Begriffe einfach fehlen, die aber zu einer Unterscheidung gerade in solchen Fragen unbedingt notwendig sind. 

Jones beginnt das Gespräch mit der völlig richtigen Feststellung, daß der in der Ursünde auseinandergefallene Mensch, der sich nach dem Verlust des Paradieses in einer feindlichen Welt wiederfand, dennoch in der Lage war, die Wirklichkeit der Welt als Ordnung zu begreifen, die ihm zumindest annäherungsweise erfaßbar wird. Die Welt ist dem Menschen aus sich heraus zumindest in den Bereichen, die ihn als Lebenswelt betreffen, erkennbar und seinem Verstand zugängig. Darauf weist vor allem die Sprache hin, die Fähigkeit zur Kommunikation, die ohne einen solchen, allen prinzipiell zugängigen Wahrheitshorizont nicht auskäme. Die Sprache geht dabei dieser Kommunikation voraus (sic!), nicht wie die Evolutionisten meinen, sie wäre dieser gefolgt.

Warum diese Erkenntnis eines allem zugrunde liegenden logos nur bei den antiken Griechen zu einer solchen philosophischen Aufarbeitung kam, wissen wir nicht wirklich. Es ist aber ein historisches Faktum. Nicht einmal das in den indischen Veden zu findende Konzept erreicht diese gedankliche Höhe. 

Bereits hier aber möchte der VdZ einwerfen, daß das von Jones auch hier immer wieder bemühte Beispiel der Erstursachen-Erklärung - alle Bewegung braucht einen ersten, unbewegten Beweger, eine Ursachenfortsetzung ad infinitum ist sinnlos - mit gewisser Distanziertheit zu sehen ist. Denn in Wahrheit muß man Akt und Potens, Ursache und Wirkung, Form und Information der Materie, in diesem Zusammenhang in der Weltschöpfung als einen einzigen Akt sehen. Das wird erahnbar, wenn man den Satz sagt: "Lampe im Raum." Es ist nicht erst der Raum, der durch das Licht zum Raum wird, sondern Licht wie Raum sind in einem einzigen Akt geschaffen. 

Als Gott sprach "Fiat lux!" war die gesamte Welt, der gesamte Kosmos darin bereits enthalten und damit geschaffen! Und zwar als Seinsmitteilung Gottes, nicht einfach als "Anstoßer", dessen Zugang zur Welt fortan immer indirekter und verschachtelter wird. In Wahrheit gründet das Sein alles Seienden, also alle Dinge, in einer DIREKTEN Abhängigkeit vom Sein selbst, das sich allem direkt mitteilt. Die Verschränktheit in der Welt bezieht sich nicht auf die Ursächlichkeit, sondern auf den Weg, dieses Sein in die Welt zur Welt in der Haltung des bittenden Empfangens zu ermöglichen.

Insofern befindet sich das indische (vedische) Konzept der Welt, die auf einem Elephanten ruht, der wiederum auf einer Schildkröte steht, die wieder auf einer Schildkröte steht etc. etc., weniger im Irrtum, als es scheinen mag, wenn Jones davon spricht. Beides war gleichzeitig, und befindet sich nicht in einem physisch-physikalischen oder psychologischen Ursache-Wirkungs-Verhältnis. Das Beispiel taugt also nur bedingt. Denn in anderer Hinsicht kann man natürlich von Ursache-Wirkung sprechen, von Form und informierter Materia in ontologischer Hierarchie. Denn selbst wenn man sich eine Billardkugel und einen Queue vorstellt, so ist der stoßende Stock nicht die "Ursache" der Bewegung der Kugel! Bewegung ist keine in der Kugel beziehungsweise dem Kugelmaterial schlummernde und somit qua Stoß aktivierte Potenz. Der Queue ist über seinen Handhaber nur Anlaß zu einem gewissen, von der Kugel nicht verhinderten Zustand, und nur insofern Ursache. Das scheint klein und unbedeutend, ist aber von größter Wichtigkeit!

Sein fundamentum in re soll, so Jones, diese indische Erklärung in der realen Situation der indischen Gesellschaften haben. Wo sich aus der Situation des Wuchers heraus, wo eine Gruppe die andere über Stärke und Macht beherrscht, ein unumstößliches Kastensystem gebildet hat, das jeden Menschen an dem Platz hält, in den er geboren wurde. Weil es somit gewissermaßen der mächtigeren Gruppe nützlich war. Auch dem muß man widersprechen! Denn der Ursprung des Kastensystems ist durchaus naturrechtlich begründet. Er gründet in der Tatsache, daß jeder Mensch in einen Ort hinein geborgen (geworfen) wird, und seine Erfüllung im Leben NUR durch und an beziehungsweise über diesen Ort finden kann. Daß diese Tatsche von manchen ausgenützt wird oder wurde, steht auf einem anderen Blatt Papier. Die Ursache für das Kastensystem ist dieses historische Faktum aber nicht einfach so. Daß es historisch vom logos wegführte ist ein anderes Problem, hierin hat Jones Recht.


Morgen Teil 2)