Manche
meinen, in diesem Interview habe E. Michael Jones seine bisherige
Glanzleistung abgeliefert. Kaum wo habe er so umfassend und tief die
Zusammenhänge aufgezeigt, mit denen er sich seit vielen Jahren befaßt
und denen er mit jedem Gespräch, mit jedem Buch, mit jedem Text mehr
immer greifbarer näherkam und -kommt. So sehr der VdZ den Amerikaner immer geschätzt hat, dem er sogar so manches verdankt, hat er freilich bislang einige Denkprobleme bei ihm gefunden, sie ab und an auch formuliert, der Leser wird sie an dieser Stelle finden. Umso gespannter war oder ist er, zu welchen Ergebnissen Jones nun, wo er sich mit diesem Kernthema aller seiner bisherigen Arbeit eingehend befaßt, nun kommt.
Nun,
wir wollen aber auch das gleich vorwegnehmen: Es ist ein Einblick in die
aktuellen Denkbewegungen von E. Michel Jones, und darin sind
Entwicklungen erkennbar, die uns Freude machen. Das Gespräch ist
gewissermaßen eine Operation am schlagenden Herzen, und man merkt stark
wie selten, daß es Jones nicht anders geht wie dem VdZ bei Texten und in
der Sprache: Daß sich im Gespräch der Gedanke jedesmal neu gebiert. Da
ist nichts abgestanden oder nur wiederholt, das ist alles lebendig. Drum
messen wir nicht mit dem strengen Urteilsstab, sondern kommentieren, wo
notwendig, indem wir unser Mitdenken als Beteiligung an einem Werk
verstehen, an dessen Ende, nach dem Schluß dieser Artikelserie, die
diese Interviewbesprechung einmal mehr und absehbar wird, für den Leser
hoffentlich ein klares, in sich stringentes Bild entsteht.
Spannend
fand der VdZ das Gespräch deshalb allemal, das vielleicht nicht sein
vollkommenstes, aber sein interessantestes ist, darin stimmen wir
manchem zu. Wer Jones Weg etwas verfolgt, weiß, daß er derzeit an einem
Buch schreibt, das er vorerst mit "Die Geschichte des Logos und der Logos der Geschichte"
betitelt. Jeder Denker (und denken ist immer eine Frage der
Konkretisierung in Sprache, also der Erinnerung, des geschriebenen,
zumindest des ausgesprochenen Wortes) geht ja seinen Weg analog zu
seinem Voranschreiten in der Welt der Begriffe, und der Präsenz dieser
Stufen, die er da erklimmt.
Wo er in stetigem Voranschreiten alle Begriffe wieder und wieder vor dem Antlitz des Ewigen - also der Präformation des logos selbst, dabei "im" logos -
"foltert", um sie noch exakter zu erfassen. Ein prinzipiell unendliches
und immer unerfüllbares Unterfangen, denn es geht um nichts anderes als
um ein Hereinspiegeln des Wissens, des Denkens Gottes, der Geist ist.
Weshalb die Haltung dabei das Entscheidende ist.
Hier von
einer gewissermaßen "automatisierten" Entwicklung des menschlichen
Denkens als sprachlicher Präsenz des logos auszugehen, wie Jones früher
anzunehmen neigte, entspricht jedenfalls nicht dem Wesen des logos,
das als Immer-Ewiges "quer" zur historischen Zeit steht, und diese
historische Zeit zwar immer einen Einblick in den Stand der
Auseinandersetzung mit der Vorsehung (dem Wissen) Gottes gibt, aber
keineswegs (wie Hegel es annahm) deren qualitatives Voranschreiten
garantiert. Hegels Dialektik einfach so mit Göttlicher Vorsehung und
"List" gleichzusetzen, wie Jones es zuvor gerne mal tat, ist damit
unzulässig und falsch.
Was immer als Sprache zur Welt
kommt, ist vor allem aber einmal ein Zeugnis der Entwicklung des
Sprechenden. Jones hätte man hier manchmal schon früher im Sinne eine
größere Präzisierung gewünscht, er hätte sich um diesen Begriff speziell
- logos - bislang etwas mehr gekümmert. Denn eine gewisse Tendenz zur
hegelianischen "pragmatischen Oberflächlichkeit", diesen "logos"
einseitig mit Ratio, Hegels Dialektik einseitig als "Kampf von These und
Antithese" und "rationale Abklärung und Ausfällung einer Synthese in
der Zeit" als nächste evolutive Stufe menschlicher Vernunft zu
vereinfachen, konnte man ihm nicht absprechen. In diesem Evolutionismus
stecken aber nicht nur massive Widersprüche, sondern sie führen zu einer
unheilvollen Entwicklung, wie sie im 20. Jahrhundert in des Jesuiten Teilhard
de Chardins Thesen gipfelten. Die heute in einem absurden
Heilsoptimismus eine beängstigende Renaissance erleben.
Darin
eingeschlossen ist auch dieser gewisse "ökumenische, interkulturelle
Optimismus", den man nicht ganz teilen kann. Der aber zweifellos aus den
vielen weltweiten Kontakten von E. Michael Jones herrührt. Und wer
würde im persönlichen Kontakt in den allermeisten Fällen nicht zu einem
eigentlich positiven Urteil über alle Menschen der Welt kommen? Sie sind
nicht "so böse", selbst wenn sie völlig andere Weltanschauungen und
Religionen vertreten. Aber speziell die Verankerung in einer Religion,
in der nämlich, in der man aufgewachsen ist, geht viel tiefer als über
bloßen Disput zu lösen wäre.
Denn die Bereitschaft zum logos (und nur darum kann es gehen; kein Mensch "besitzt" ihn oder spiegelt ihn aus sich heraus wieder, das ist immer ein Gnadenakt) als
dessen Bejahung ist zuallererst eine sittliche, und damit eine religiöse
Entscheidung, nicht einfach eine der Ratio, der Logik, die quasi unter
Gelehrten zu klären wäre. Wenn dann im Scheiden noch eher, als im
Annehmen und "tun", wie es Denken eben ist: Eine ganzheitliche,
ganzpersonale Handlung.
Der VdZ hat übrigens mit Jones
diesbezüglich bereits korrespondiert. Manche dieser möglichen
Mißverständnisse haben nämlich sogar mit der Begrenztheit der englischen
Sprache zu tun. Die für Philosophie nur bedingte Tauglichkeit hat, weil
ihr viele Begriffe einfach fehlen, die aber zu einer Unterscheidung
gerade in solchen Fragen unbedingt notwendig sind.
Jones
beginnt das Gespräch mit der völlig richtigen Feststellung, daß der in
der Ursünde auseinandergefallene Mensch, der sich nach dem Verlust des
Paradieses in einer feindlichen Welt wiederfand, dennoch in der Lage
war, die Wirklichkeit der Welt als Ordnung zu begreifen, die ihm
zumindest annäherungsweise erfaßbar wird. Die Welt ist dem Menschen aus
sich heraus zumindest in den Bereichen, die ihn als Lebenswelt
betreffen, erkennbar und seinem Verstand zugängig. Darauf weist vor
allem die Sprache hin, die Fähigkeit zur Kommunikation, die ohne einen
solchen, allen prinzipiell zugängigen Wahrheitshorizont nicht auskäme.
Die Sprache geht dabei dieser Kommunikation voraus (sic!), nicht wie die
Evolutionisten meinen, sie wäre dieser gefolgt.
Warum diese Erkenntnis eines allem zugrunde liegenden logos nur
bei den antiken Griechen zu einer solchen philosophischen Aufarbeitung
kam, wissen wir nicht wirklich. Es ist aber ein historisches Faktum.
Nicht einmal das in den indischen Veden zu findende Konzept erreicht
diese gedankliche Höhe.
Bereits hier aber möchte der VdZ
einwerfen, daß das von Jones auch hier immer wieder bemühte Beispiel der
Erstursachen-Erklärung - alle Bewegung braucht einen ersten, unbewegten
Beweger, eine Ursachenfortsetzung ad infinitum ist sinnlos - mit
gewisser Distanziertheit zu sehen ist. Denn in Wahrheit muß man Akt und
Potens, Ursache und Wirkung, Form und Information der Materie, in diesem
Zusammenhang in der Weltschöpfung als einen einzigen Akt sehen. Das wird
erahnbar, wenn man den Satz sagt: "Lampe im Raum." Es ist nicht erst der
Raum, der durch das Licht zum Raum wird, sondern Licht wie Raum sind in
einem einzigen Akt geschaffen.
Als Gott sprach "Fiat
lux!" war die gesamte Welt, der gesamte Kosmos darin bereits enthalten
und damit geschaffen! Und zwar als Seinsmitteilung Gottes, nicht einfach
als "Anstoßer", dessen Zugang zur Welt fortan immer indirekter und
verschachtelter wird. In Wahrheit gründet das Sein alles Seienden, also
alle Dinge, in einer DIREKTEN Abhängigkeit vom Sein selbst, das sich
allem direkt mitteilt. Die Verschränktheit in der Welt bezieht sich
nicht auf die Ursächlichkeit, sondern auf den Weg, dieses Sein in die
Welt zur Welt in der Haltung des bittenden Empfangens zu ermöglichen.
Insofern
befindet sich das indische (vedische) Konzept der Welt, die auf einem
Elephanten ruht, der wiederum auf einer Schildkröte steht, die wieder
auf einer Schildkröte steht etc. etc., weniger im Irrtum, als es
scheinen mag, wenn Jones davon spricht. Beides war gleichzeitig, und
befindet sich nicht in einem physisch-physikalischen oder
psychologischen Ursache-Wirkungs-Verhältnis. Das Beispiel taugt also nur
bedingt. Denn in anderer Hinsicht kann man natürlich von Ursache-Wirkung
sprechen, von Form und informierter Materia in ontologischer
Hierarchie. Denn selbst wenn man sich eine Billardkugel und einen Queue
vorstellt, so ist der stoßende Stock nicht die "Ursache" der Bewegung
der Kugel! Bewegung ist keine in der Kugel beziehungsweise dem Kugelmaterial
schlummernde und somit qua Stoß aktivierte Potenz. Der Queue ist über
seinen Handhaber nur Anlaß zu einem gewissen, von der Kugel nicht
verhinderten Zustand, und nur insofern Ursache. Das scheint klein und
unbedeutend, ist aber von größter Wichtigkeit!
Sein fundamentum in re
soll, so Jones, diese indische Erklärung in der realen Situation der
indischen Gesellschaften haben. Wo sich aus der Situation des Wuchers
heraus, wo eine Gruppe die andere über Stärke und Macht beherrscht, ein
unumstößliches Kastensystem gebildet hat, das jeden Menschen an dem
Platz hält, in den er geboren wurde. Weil es somit gewissermaßen der
mächtigeren Gruppe nützlich war. Auch dem muß man widersprechen! Denn
der Ursprung des Kastensystems ist durchaus naturrechtlich begründet. Er
gründet in der Tatsache, daß jeder Mensch in einen Ort hinein geborgen
(geworfen) wird, und seine Erfüllung im Leben NUR durch und an beziehungsweise über
diesen Ort finden kann. Daß diese Tatsche von manchen ausgenützt wird
oder wurde, steht auf einem anderen Blatt Papier. Die Ursache für das
Kastensystem ist dieses historische Faktum aber nicht einfach so. Daß
es historisch vom logos wegführte ist ein anderes Problem, hierin hat
Jones Recht.
Morgen Teil 2)
*280619*
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