Noch einmal Dugin, noch einmal, weil an diesem zehnminütigen Interview mit BBC klarer wird, daß der russische Philosoph zutiefst Nihilist ist, der mit Nietzsche mehr zu tun hat als mit traditioneller abendländischer Metaphysik oder gar der Orthodoxie. Insofern paßt er tatsächlich gut ins Bild der "Neuen Rechten", die einen zutiefst relativistischen und pragmatistischen Ansatz hat, in dessen Rahmen (aber nur in dessen Rahmen) die Religion eine "tragende Rolle" spielt. Als Mittel.
Klarerweise kann man dann formulieren, wie Dugin dies hier tut, daß Rußland "seine eigene Wahrheit" hat und nichts anderes verlangt, als daß diese Sicht von allen anderen akzeptiert wird. In diesem Sinn muß man auch das vom Philosophen gerne verwendete Wort von der "Multipolarität" der modernen Welt sehen. Wo vier, fünf oder wer weiß wie viele völlig verschiedene Kulturen "gleichberechtigt" nebeneinander stehen. Nein, nicht einmal das. Denn dieses Konzept sieht letztendlich auch keine Schranken dahingehend, daß diese Kulturen sich auch mal gegenseitig bekämpfen. Denn wenn es keine absolute Wahrheit, keine absolute Kultur sohin gibt, dann gibt es auch keinen Grund, warum nicht das Gesetz des Moments, die Kraft des Stärkeren den Fortgang der Geschichte bestimmen sollte.
Nur Wille kann eine Kultur beseelen und deshalb muß eine Kultur fest an sich glauben, denn sonst hat sie bereits verloren. Wie dieser Glaube an sich zustande kommt ist nebensächlich, und hierein kann Religion ihre nützliche Rolle spielen. Das sagt Dugin zwar nicht explizit, aber es ist in seinen Sichtweisen enthalten. Das einzige, was damit eine Welt der Multipluralität befrieden kann, ist eine starke globale Organisation der Staaten der Welt. Ob das manchem klar ist, der Dugin als Intellektuellen verehrt? Der Mann ist zwar "sophisticated", aber ihn als "einen der größten Intellektuellen der Welt" zu bezeichnen nicht einfach übertrieben, sondern ... lassen wir das. Diese Form des Relativismus ist nämlich weder neu noch besonders originell. Es ist vielmehr dumm und geistlos. (Siehe dazu auch dieses eineinhalbstündige Interview mit Dugin, in dem es genau um diese Gleichberechtigung unterschiedlicher Ideologien geht.)
Wahrheit ist, so Dugin auch hier, ein Resultat der Glaubensinhalte eines Volkes, einer Kultur. Das ist auf eine Weise faktisch richtig, aber es ist hier und absolut gesehen der relativistische Bezugspunkt, der absolute, eine einzige Wahrheit nicht kennt (so vielseitig die auch sein mag, so daß sie ein Mensch allein kaum je tragen und erfassen kann), und deshalb einen lediglich soziologischeren, aber nichts weniger materialistischen Zugang zum Menschen hat als der liberale Materialismus des Westens. Die also enorme Deckungsbreite mit der "Vierten Politischen Theorie" Dugins haben. Es ist also auch kein Wunder, daß Dugin (an anderer Stelle im Netz nachzuhören) die Kabbalah als größtes Werk der Menschheit preist - als "magischer, mechanistischer Zugang" zur absoluten, aber technisch aufgelösten Weltgrammatik.
Dugin macht den häufig zu beobachtenden Fehler, daß er den Umstand, daß jeder Mensch nur über seine Interpretation Zugang zu den Daten der Welt hat - und somit seinen subjektiven Überzeugungen gemäß "Information" erkennt - als Erweis der reinen Subjektivität der Wahrheit sieht. Aber das stimmt eben nicht! Es gibt eine jeder Subjektivität vorausliegende, objektive Wahrheit, ohne die eine Kommunikation überhaupt nicht möglich wäre, gäbe es nicht für alle Gesprächsteilnehmer einen objektiven, für alle gleichen Bezugspunkt.
Wo immer rein subjektive, also interessengeleitete (eigentlich: Interessendeformierte) Sicht vorherrscht, haben wir es nicht mit der "subjektiven Wahrheit", sondern einer subjektiv verdrehten Wahrheit zu tun. Und darin kann der Mensch sehr wohl unterscheiden, auch Dugin beweist das ja, gerade indem er auf diese Differenz der subjektiven Sichten hinweist.
Dugin sagt es hier expressis verbis: DAS ist die von ihm so verstandene Multipolarität! Daß man jeder Seite diese subjektive Überzeugung läßt, daß sie die absolute Wahrheit gerade in ihren Interessengebundenheiten vertritt, und die andere Seite nicht. Daran hängt dann auch der Friede: In der Akzeptanz, daß der andere eine andere Wahrheit hat.
Das geht nur, wenn man im tiefsten Grund auf Nihilismus aufruht. So, wie es auch weite Teile der "Neuen Rechten" tun. Der Rest - oder: der überwiegende Teil sogar - an Dugins Argumentation ist somit Äquivokation! Aber wer sich der Äquivokation bedient, der will, mit Verlaub, sich verstellen und deshalb lügen.
Dugins "Anerkenntnis" auch widersprüchlicher Theorien ist sogar blanker Post-Modernismus! Einer neo-marxistischen Strömung, die am Boden eines aktiven Nihilismus steht.* Der wie alle Liberalen (sic!) in dem durchaus auch Richtiges sagt, weil er vom liberalen Lust-Schmerz-Prinzip geleitet oft zum richtigen Moment schreit, wo er (und damit der Mensch) verletzt wird.
Dugins "Anerkenntnis" auch widersprüchlicher Theorien ist sogar blanker Post-Modernismus! Einer neo-marxistischen Strömung, die am Boden eines aktiven Nihilismus steht.* Der wie alle Liberalen (sic!) in dem durchaus auch Richtiges sagt, weil er vom liberalen Lust-Schmerz-Prinzip geleitet oft zum richtigen Moment schreit, wo er (und damit der Mensch) verletzt wird.
*Man siehe dazu auch dieses nachträglich im Netz entdeckte Video einer Kritik Dugins aus traditionalistischer Sicht. Um die darin vorgebrachte Kritik auf einen einfachen Punkt zu bringen: Dugin verdreht so gut wie alle Sichtweisen, Religionen und Theorien, die er in Anspruch nimmt in seine Theorie integriert zu haben. Denn seine 4. Politische Theorie versteht sich als Schnittpunkt von Metaphysik und Politik, und "integriert" so gut wie alles, was ihr dabei über den Weg kommt. Dabei erhebt sich der Verdacht, daß Dugin alles schon deshalb "integrieren kann", weil er die einzelnen Lehren, Religionen und Gebiete ... gar nicht wirklich kennt. Das reicht von Mythen bis zu Eschatologie, mit der er seine Politik umgibt, bis zur Physik. Schon alleine dieser Umstand läßt natürlich vieles "vereinen" ... Dugins Metaphysik aber ist verschwommen und widerspruchsvoll. Darf man vermuten, daß seine Popularität (auch, wenn nicht vor allem bei uns; über das Maß seiner Rolle in Rußland selbst gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen) vor allem damit zusammenhängt, daß auch viele (pardon) "Rechte" von heute verdammt wenig Ahnung haben, aber gut in ihrem Status der Intellektualität davon leben, daß das allgemeine Bildungs- und Kenntnisniveau dermaßen niedrig ist, daß auch Vierteläugige wie intellektuelle Helden dastehen können?
Wovon wir überzeugt sind, sagt Dugin, trennt uns, aber wogegen wir sind, das ist es, was uns eint. Widersprüche als gleichberechtigt zu akzeptieren ist freilich der sicherste Weg zur individuellen Unfreiheit der Vernunft, also zur Manipulierbarkeit der Unvernunft. Und das allein weist auf einen wichtigen Punkt: Dugin ist aus mehreren Gründen (er bezieht sich unter anderem immer wieder auf die Kaballah) ganz offensichtlich eng im Okkultismus und Satanismus verwurzelt. Wir wollen es nicht hysterisieren, aber gewisse Erhellungskraft hat ein weiteres Video durchaus: Dugin und das Okkulte.
*030719*
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