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Freitag, 30. August 2019

Vom Wesen des Guten Handelns (3)

Teil 3)



Der Religion mit naturwissenschaftlicher Psychologie (und symbolistischer Psychoanalyse) kommen zu wollen, ist somit schon deshalb nicht einmal wissenschaftlich, weil man in der Methodenwahl dem untersuchten Stoff entsprechen muß. Und Geist ist kein Beobachtungsgegenstand der Physik, er hat nur AUCH dort Wirkungen. Peterson hat sich gegen die Genderisierung aufgelehnt, gut. Er hat aufgeschrien, weil man ihm auf die Zehen gelatscht ist. Aber von Geschlecht und Identität hat er deshalb noch lange keine Ahnung. Und sein Platz ist dort, wo auch die zahllosen Lebensratgeber, esoterisch und sonst wie, die die Kaufhausregale füllen und allesamt versuchen, kleine Modellhäuschen zu bieten, in denen man sich einhausen kann, weil die große Landschaft der Kultur zerfallen ist und nur noch Ödland hinterlassen hat.

Immerhin, gut, das kann man als Rampe zum Wahren sehen, anerkennt Peterson schon aus phänomenologischen Gründen, daß man die inneren Werte und Anrufe, die wir alle feststellen, ernst nehmen müssen. Schon nur aus Gründen der Psychohygiene. Und sie stellen sich auch bei psychoanalytischer Betrachtung als korrekte Archetypen von menschlich-psychologischem Geschehen dar, wie immer man das seiner Ansicht nach bewerten möge. Wir sind nicht "masters in our own houses", viel, ja das Entscheidende vielleicht aus unseren Werten und Ansprüchen kommt aus Bereichen, die wir nicht kennen. Immerhin, ja, das ist auf eine Weise richtig. 

Ja mehr noch, Peterson stellt schon die Frage, was es damit auf sich hat, daß wir an eine innere Wertelandschaft und an ein Anspruchsgefüge gebunden sind, denen wir "nicht entkommen" können, die uns also bestimmen, ob wir wollen oder nicht. Man solle doch versuchen, meint er, man solle doch versuchen, sich die eigenen Werte "vorzugeben". Das wird nicht funktionieren, diese Transzendenz auszuschalten. Wir sind nicht Herren und Hervorbringer unserer eigenen Werte! Die "kommen von wo"! 

Es bleibt also eine Art Blütenlese. Denn im Einzelnen ist manches richtig und scharfsichtig.

Zur Frage, daß die "Psyche" des Menschen sich deshalb nur dann überhaupt (!) verstehen lasse, wenn man begreift, daß das Ich (in seinem Selbst als faktische Ausgestaltung, man könnte hier auch "Herz" einsetzen) nur begreifbar wird, wenn es einem personalen Du, einem absoluten Gott (Jesus Christus) persönlich gegenübersteht, daß also alles was in eines "Psyche" abläuft ein Dialog, eine Reaktion ist, kommt er damit nicht. Sie erst würde wirklich erhellen. Durch den Rückgriff auf eine andere Dimension, die geistige, wird der Mensch verstehbar. Das ist aber nicht Gegenstand der evolutionistisch-naturwissenschaftlichen Psychologie.

Man muß sich deshalb schon fragen, was dann der Bezug auf Dostojewski und sein "Schuld und Sühne" an dieser Stelle seines Vortrags soll. Er bezieht sich ja oft darauf. Peterson nennt es "perfektes Beispiel der Zelebration einer Idee", dieser Idee des absoluten Gewissens. Aber ohne es in Gott zu gründen, ohne diese personale Gegenüberstellung mit Jesus Christus, ist Dostojewski doch gar nicht zu begreifen! Denn diese Idee ist eben nicht einfach eine "Idee", ist ein personales Gegenüber! Das handelt, das agiert, das reagiert, das also "dynamisch" ist! Raskolnikow kommt sogar davon mit seinem Mord. Doch sein Gewissen gibt keine Ruhe. Es kann also nicht einfach im sozialen Gefüge verankert sein. Er ist nach seinem Mord ein anderer. 

Die Problematik der Erbschuld, die der Russe stellt, und die Peterson in Zusammenhang mit einer Diskussion des Marxismus streift - und sein Vortrag ist wie sein Denken: Ein Rundumschlag, gewissermaßen - ist natürlich mehr als ein psychologisches Phänomen. Sie drückt sich in der Psyche nur aus, als ein Wissen um die Ungenügendheit der eigenen Existenz. Was einen Menschen anders, als Marx es postuliert - man möge jedem nur genügend Mittel, Geld, Wohlstand geben, dann wäre er auch "gut" - fast "zwingt", in einer perfekten Welt (in der alles stimmt, die alles hat, Brot, Spiele, alles was Lust macht anstrengungslos bietet) sofort etwas zu "zerstören". Denn eine perfekte Welt (sagen wir) entspricht nicht dem inneren Wissen um deren Wahrheit, um deren Wirklichkeit, und diese Wirklichkeit ist es, die jeder braucht, die der Mensch immer sucht. 

"Nichts schwerer zu ertragen," sagt Goethe deshalb, "als eine Reihe von guten Tagen." Der Mensch kann niemals mit materiellen Gütern "befriedigt" (zum Frieden gebracht) werden! Das ist ein sicherer Verweis auf die Bedeutung des Transzendenten, und zwar ganz real. Es gibt nicht einmal Evidenz, daß der Mensch überhaupt auf Materielles ausgerichtet ist. Es ist deshalb keineswegs sonderbar, daß ein Mensch in dem Maß, in dem er "alles hat", versucht, sich andere Probleme zu schaffen. Es ist ein Irrtum zu meinen, daß es dem Menschen nur um ein weiches Bett und genug Fressen geht. So sehr das unter Bedrängnis und Not seine Bedeutung haben mag.

Es scheint dem Menschen also mehr darum zu gehen, überhaupt und immer "etwas zu suchen". Was im übrigen falsch ist, es gibt diesen Ruhepunkt, aber nicht "psychologisch", nicht in dieser Welt. Sondern nur in Gott. Darin irrt also der Sozialstaat, der sich vorgenommen hat dafür zu sorgen, daß es niemandem an etwas (materiell) fehlt. Damit ist kein Problem gelöst! 

Das zeigt sich auch darin, daß Menschen, die alles haben, die also reich genug sind, so daß mehr Geld nichts wesentlich ändern würde, nicht weniger Probleme haben wie Arme. Im Gegenteil, werden Fragen wie "Wozu lebe ich?" viel drängender, die Frage steht nämlich "nackter" vor ihnen. (Weshalb viele Reiche tatsächlich dazu übergehen, sich mit ihrem Reichtum um "soziale" oder "gesellschaftliche" Probleme zu kümmern, leider meist mit lächerlichem, total falschem und kontraproduktivem Ergebnis).

Die Idee also, daß alle Probleme mit sozialer Ungleichheit zu tun hätten, ist falsch. Sie ist genauso falsch wie deren Transformierung in "Identitätsfragen" (LGBT etc.), also dem Genderproblem. Dem liegt dieselbe Dummheit zugrunde wie dem Marxismus. Wo behauptet wird, daß alle Probleme mit der hierarchischen Struktur der Gesellschaft zu tun haben, und es nur darum geht, Macht über den anderen zu erlangen. 

Das ist blanker Marxismus. Hierin ist dieser dem Christentum (von "christlichem Marxismus" zu sprechen ist also Schwachsinn) diametral entgegengestellt. Denn dort geht es nicht um Schuld "kraft Geburt", sondern aufgrund individuellen Verhaltens. (Freilich, ganz vom Stand läßt sich diese Frage NICHT lösen, hier kommt Petersons liberales Fundament wieder durch. Es gibt "Kollektividentität", es gibt "Stand" als Identitätsrahmen, es gibt "Kollektivschuld" als Standesproblem, das damit ein Problem der Ordnung ist.)


Morgen Teil 4)