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Montag, 5. August 2019

Von Linientreue und Bullshit

Der Mythos "Rechts" ersetzt jedes politische Nachdenken. Im Grunde müßte also die AfD glücklich sein, weil sie das einzige Thema ist, das seit vielen Jahren die Medienöffentlichkeit bestimmt. Die keine anderen Themen mehr findet. Er ist eine Art "nachträglicher Antifaschismus", dem heute jede sachliche Grundlage fehlt, der aber eine posthistorische-historische Distanzierung (und Rationalisierung) ist, wie Odo Marquardt es einmal formuliert.

Und Norbert Bolz formuliert einiges andere recht pointiert, wenn er den drei Säulen der Political Correctness nachgeht. Etwa wenn er als "Insider" warnt: Zu glauben, daß intellektuelle und akademische Personenkreise auch besonders gut denken könnten ist ein totaler Irrtum. Es fehlt ihnen in der Regel an jedem Kontakt mit der Realität. Auch Politiker leiden unter diesem Phänomen, denn sie wechseln in der Regel von einer Realitätsferne (Schule - Universität) in die Politik, ohne je mit der Realität ernsthaft konfrontiert worden zu sein. Die heutigen Sozial- und Bildungssysteme machen es sogar möglich, alt und grau und angesehen (und pensionsberechtigt) zu werden, ohne je mit der Realität konfrontiert worden zu sein.

Aber was für sie gilt, gilt für alle als Gefahrenmoment. Denn alle befinden sich in Echoräumen, sowohl Rechte wie Linke. Denn das ist die Natur der Informationsaufnahme, in der man ja nur als Information erkennt, was dem eigenen Wirklichkeitshorizont entspricht. 

Warum ist das bei der Linken so aktuell, die sich doch ursprünglich als Korrektur der Politik aus der Realität heraus verstanden hat? Weil es eine Linke* nicht mehr gibt. Die hängt, wo sie noch Ideen hat, im 19. Jahrhundert, sie hat seither keine einzige neue Idee mehr auf die Wege gebracht. Also sucht sie verzweifelt nach Aufhängern für politischen Einfluß, und da fallen ihr nur vergangene Konflikte und Ideen ein.

Der Berliner Medienwissenschaftler, der wie immer frei von der Leber weg redet und die Geisteswissenschaften für nicht mehr zu retten sieht, weist auf einen weiteren wichtigen Punkt hin, der zweiten Säule der Political Correctness. Denn es trifft gar nicht so sehr zu, daß wir "belogen" werden. Das gibt es, ist aber die Ausnahme. Viel verbreiteter ist eine Haltung, die Harry Frankfurt in seiner bekannten Publikation "Bullshit" nennt: Es ist das Formulieren von leeren Floskeln, ohne noch irgendein Interesse an der Wahrheit zu haben. Das aber bestimmt den heutigen öffentlichen Diskurs.

Was ist deshalb am Fall Relotius so interessant? Gar nicht, daß der Journalist gelogen und seine Geschichten erfunden hat. Sondern daß er damit Erfolg hatte, daß er genau das produzierte, was der Mainstream hören wollte, was die vorgebildete Meinung der Intellektuellen bestätigte, ohne daß die je eine Ahnung hatten, wie es zum Beispiel im amerikanischen Mittelwesten überhaupt wirklich aussieht.

Zutrauen zum eigenen, gesunden Menschenverstand mißt das neue Paradigma des Umgangs mit den Medien. Selbst Bolz meint, daß er sich in den letzten Jahren zunehmend nur noch über Kanäle im Internet informiert, die Mainstream-Medien ignoriert, weil sie nur noch Bullshit produzieren, und man über die moderne Welt nicht mehr hinlänglich informiert wird. Das Internet kann tatsächlich eine Hilfe sein, noch andere Menschen zu finden, die ebenfalls noch einen Rest an Menschenverstand bewahrt haben, aber von den Mainstream-Medien ignoriert und verdeckt werden sollen.







*Und Bolz ist nicht nur Protestant und alter Liberaler, sondern auch SPD-Mann. Das läßt die Gründe erkennen, warum seine Argumente immer nur "halbtief", wenn auch in ihrer phänomenologischen Bestimmtheit oft äußerst treffend sind. Wie hier oft schon gesagt: Liberale werden dann zu "rechten Kritikern", wenn ihnen das, was sie selbst angerichtet haben, denn doch eines Tages persönlich zu viel wird und ihnen auf die Zehen fällt.