Teil 2)
Peterson
vertritt stattdessen die liberalistische Position, daß sich letztlich
doch jeder aussuchen kann, was er im Leben werden und erreichen möchte.
Daß sich also die Welt der Menschen "von unten nach oben", "vom Können
zum Sein" entwickelt. Und seine Ratschläge beziehen sich auf eine so
gedachte Ordnung der Welt. Das ist eine prinzipielle Fehlannahme
über das Wesen der Welt und Wirklichkeit, und es ist im übrigen das, was
man Nominalismus nennt. Deshalb sind seine Ratschläge auch kaum
wirklich brauchbar, ihnen fehlt jede wirkliche Sinndimension.
Vielmehr nämlich wird die Welt immer von einer Idee (logos,
oder wie der VdZ es hier immer weil s. e. anschaulicher nennt: Ort als
Wesensgefüge, in den hinein Menschen treten, beziehungsweise in dem sie kraft
Zeugung und Geburt bereits sind) getragen. Aus dem Beitreten beziehungsweise Beigetretensein
an diesen Ort erst ergibt sich das Handeln und der
Handlungsimperativ. Sehr konkret, und als jene Brötchen, die es eben zu
backen gilt, ob groß oder klein liegt gar nicht in eines Disposition.
Vermutlich hängt Petersons Popularität aber genau daran, daß er diese
(dabei so widersprüchliche) Illusion, daß jeder alles werden könne,
nicht nur nicht zerstört, sondern die Menschen darin beläßt.
Seine
Guru-Position (und in so einem Fall muß man davon sprechen, denn
Freiheit gibt es nur in der Vernunft, und Vernunft nur mit Bezug zu
einer absoluten Wahrheit, genau die verweigert aber Peterson) wird
maßgeblich damit davon befeuert, daß der Psychologe so viele
Widersprüche in seinem Denken aufweist, daß sich eine klare, konsistente
Linie durch seinen rhetorisch so dicht gesetzten Verbaldschungel gar
nicht finden läßt. Er sagt alles - und nichts. Er behauptet dies - und
dann wieder nicht.
Der
VdZ kann keine wirklich stringente Linie in seinen Äußerungen finden,
und wo immer er zu fassen wäre, entzieht Peterson sich durch eine
Gegenbehauptung fünf Minuten später. Wenn es dem Leser aber gelingt, sei
er gebeten, es den VdZ wissen zu lassen. Aber er soll auch ehrlich die
Frage beantworten, ob durch einen Peterson-Vortrag mehr entsteht als ein
ungeheurer, bunter, Potpourrie-artiger Wortsalat im Kopf, mit etlichen
"konvenienten" (also "genehmen", Druckstellen im Schuh "bestätigenden") aber nicht weiter zusammenhängenden Einzelaussagen, Sätzen, ohne daß
man am nächsten Tag sagen könnte, wovon der Mann wirklich gesprochen
hätte. Und das nervt doch ziemlich. Man muß vor ihm deshalb sogar ein
wenig warnen. Gerade die Lust, mit der Peterson in viele Bereiche des
Wissens streift - von Literatur über Philosophie bis zur Heiligen
Schrift - ist nämlich Mißbrauch, Blendung, ja sogar narzißtische, eitle
Blendung, mit der eine Gesamtheit und damit Autorität, Umfassendheit,
"Katholizität" vorgetäuscht wird, die gar nicht besteht.
Von
Religion und Christentum (noch weniger) versteht er ebenfalls nichts.
Denn man kann mit einer Hobelbank keine Lichtbilder schleifen. Weil die
Psychologie, die auch Peterson vertritt, zu dieser Frage nichts zu sagen
hat. Wer einen Vorgang beobachtet darf nicht, wie es diese
Scheinwissenschaft aber macht, die Geist als Epiphänomen der Materie
betrachtet, also als physisch-physikalisches Phänomen, aus dem Nach- oder
In- oder Miteinander von Abläufen auf deren physische Kausalität
schließen. Die Beobachtung von (bestimmten, immer nämlich selektierten)
Abläufen von etwas ist nicht auch schon ein
Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, oder gar eine Begründung! Nicht einmal
eines seiner Lieblingsworte - Verantwortung! - kann ohne absoluten Gott
und Geschöpflichkeit des Menschen verankert werden. Es bleibt simpler,
kantianisch voluntaristischer Imperativ. Warum? Na, weil es mehr Lust
macht und nützlicher ist ... und einfach "worked", also "funktioniert".
Es
gibt übrigens einen recht simplen Grund für Realismus, der anerkennt,
was "da ist" (und hierin, und nur hierin liegt manches, was man Peterson
abnehmen kann) - und das ist die Faulheit des Narziß. Das, woher
Gewissen kommt (und damit Scham als Diskrepanz zwischen Anspruch und
Realität), grenzt Peterson schon aus. Denn das braucht Metaphysik. Wie
will aber jemand in der konkreten Welt "denken", der Metaphysik wegläßt,
und sei es auf die lange Bank schiebt, sich um diese erste
Begriffsklärung zu kümmern? Dort ist ja das, was als "idea" dann nach
außen drängt, und damit sind wir doch bei einem der Fundamente für
innere Antriebe. Nicht die Metaphysik aber "collapsed", brach zusammen,
wie er sagt, sondern der Zugang zu ihr. Und das ist eine
vor-metaphysische Entscheidung des Pragmatismus, also der
psychologischen Pathologie.
Das
Ähnliche an Verhaltensmustern bei Menschen und Tieren (Petersons
Lieblingstier ist bekanntlich der Hummer, der "lobster"*) deutet er als
Beleg für Abstammung. Aber das ist es gar nicht, und was wäre daran
wissenschaftlich? Es ist stattdessen ein ontologisches, also geistiges,
der Idee inhärentes Prinzip, das sich je nach Lebensstufe so oder so (in
gewisser Ähnlichkeit) ausdrückt. Aber beim Menschen kraft seiner
Geiststruktur eine völlig andere innere Struktur hat. Denn bei ihm ist die
Wahrheitsfrage essentiell und existentiell, also von ihm notwendig als
stets aktuelle, neue Lebensaufgabe zu lösen. Aber das erschließt sich
erst bei metaphysischer Betrachtung.
Stattdessen ist
sogar die Aussage Petersons, daß der Mensch "eine Natur" habe, daß er
sich seine Werte also nicht aussuchen könne, sondern daß diese (wie Jung
auch sagt) ihm vorausgingen, in diesem Bezug haltlos und
relativistisch-aktualistisch. Sie führt sogar direkt (Peterson ist auch
Nietzscheaner, wie er a. a. O. sagt) zum Aktualismus, dem Größenwahn,
daß alles, was man fühlt schon deshalb "wahr und richtig" sei. Objektive
Verankerung hat es nicht.**
Ja, wir sehen die Welt
durch unsere Vorstellung, unter Beimischung unseres Willens, da hat
Schopenhauer schon Recht. ABER dieser Wille, diese Vorstellung ist nicht
deshalb "absolut", weil "sie eben da ist", und immer da ist, und immer
damit zeitbezogen da ist! Sie hat einen Prüfstein - und das ist die
Gestalt Gottes, des inkarnierten Gottes, sie hat den Prüfstein in einem
erreichbaren Absoluten, auch wenn das nicht ausschöpfbar ist. Es gibt
diesen Prüfstein des Absoluten! Und er ist es, vor dem sich jede Zeit zu
läutern hat! (Siehe: Die Bemerkungen zur Dramaturgie.)
Morgen Teil 3)
*Wie Peterson immer wieder erzählt,
hat er aus Beobachtungen bei Hummern und der Wirkung von Serotonin (wie
es in Antidepressiva enthalten ist) entscheidende Schlüsse auf die
Bedeutung von Hierarchie für das Individuum sowie der Dynamik der
Selbstbehauptungskraft auch beim Menschen gezogen. Aggression (beziehungsweise
Depression) entsteht - immerhin, daran ist ein wahrer Kern - wo das
Individuum die Stelle in einer sozialen Ordnung verliert. Solange es
darin verharrt, so lange das nicht hinterfragt ist, ist der Einzelne
auch "glücklich". Falsch ist damit, wenn man meint, daß der soziale
Status, die Position in der Hierarchie also, es selbst wäre, der "Glück"
verspricht. Denn "Glück" (nennen wir es mit Augustinus halt so) kommt
nicht aus der Stellung, es kommt aus der Erfüllung der Vorgabe durch die
Idee, den Ort, ist also eine Antwort auf die geistige Anforderung. Wie
will man das aber sehen, wenn es - als Evolutionist - gar keinen Geist
gibt, sondern nur "Emotion", die dem Überleben dienen soll?
Um
weiter Einiges vom Gesagten in seiner Form unter
naturwissenschaftlich-reduktionistischen Brechung zu illustrieren:
Peterson zieht daraus den Schluß, daß zuerst die Menschen überhaupt für
die Existenz einer Hierarchie kämpfen. Um sich dann einen möglichst hohen
Platz zu suchen. Nein sagen wir! Man sucht nicht einen möglichst HOHEN
Platz, das ist bereits pathologisch weil Zeichen der Entwurzelung, der
Entgrenzung damit (das sind nämlich Synonyme). Sondern die Höhe des
Status ergibt sich (auch im Serotonin-Haushalt, das behaupten wir frank
und frei!) aus der "Tiefe", aus der "Vollendung" weil Erfüllung des
Platzes, an dem wir stehen. Als gesollt, nicht durch Erreichen eines
"Gewollten".
Das
Gute geht aus dem Gesollten, nicht aus dem irgendwie Gewollten hervor,
und gutes Handeln ist das Resultat, wenn das Gewollte auch dem (durch
Sehen des Unsichtbaren, des Wirklichen, also des Wesens der Dinge an
unserem Ort beziehungsweise in dessen horizontalen wie vertikalen Angrenzungen)
Gesollten entspricht, nicht umgekehrt.
**Klingt
das nicht sogar bei Alexander Dugin an? Kein Wunder, es ist heute
wirklich
"Mode", als einzige Lösung, ohne die Gottesfrage zu lösen zu einem
"Wahren", "Absoluten", zu einer absoluten Rechtfertigung zu kommen.
Herrschaften, eines muß uns klar sein, es muß auch uns selbst Prüfstein
sein: Eine Zeit hat immer (!) ihre Tendenzen, und wir sind als in dieser
Zeit geboren wie in ihr lebend diesen Tendenzen mit unterworfen. Jeder
Denkende ist also immer auch eine Antwort auf die Zeit. Das ist die
tiefste Begründung für ... die Wahrheit einer Kunst in ihrer Zeit.
*040719*
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