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Donnerstag, 29. August 2019

Vom Wesen des Guten Handelns (2)

Teil 2)



Peterson vertritt stattdessen die liberalistische Position, daß sich letztlich doch jeder aussuchen kann, was er im Leben werden und erreichen möchte. Daß sich also die Welt der Menschen "von unten nach oben", "vom Können zum Sein" entwickelt. Und seine Ratschläge beziehen sich auf eine so gedachte Ordnung der Welt. Das ist eine prinzipielle Fehlannahme über das Wesen der Welt und Wirklichkeit, und es ist im übrigen das, was man Nominalismus nennt. Deshalb sind seine Ratschläge auch kaum wirklich brauchbar, ihnen fehlt jede wirkliche Sinndimension. 

Vielmehr nämlich wird die Welt immer von einer Idee (logos, oder wie der VdZ es hier immer weil s. e. anschaulicher nennt: Ort als Wesensgefüge, in den hinein Menschen treten, beziehungsweise in dem sie kraft Zeugung und Geburt bereits sind) getragen. Aus dem Beitreten beziehungsweise Beigetretensein an diesen Ort erst ergibt sich das Handeln und der Handlungsimperativ. Sehr konkret, und als jene Brötchen, die es eben zu backen gilt, ob groß oder klein liegt gar nicht in eines Disposition. Vermutlich hängt Petersons Popularität aber genau daran, daß er diese (dabei so widersprüchliche) Illusion, daß jeder alles werden könne, nicht nur nicht zerstört, sondern die Menschen darin beläßt. 

Seine Guru-Position (und in so einem Fall muß man davon sprechen, denn Freiheit gibt es nur in der Vernunft, und Vernunft nur mit Bezug zu einer absoluten Wahrheit, genau die verweigert aber Peterson) wird maßgeblich damit davon befeuert, daß der Psychologe so viele Widersprüche in seinem Denken aufweist, daß sich eine klare, konsistente Linie durch seinen rhetorisch so dicht gesetzten Verbaldschungel gar nicht finden läßt. Er sagt alles - und nichts. Er behauptet dies - und dann wieder nicht.

Der VdZ kann keine wirklich stringente Linie in seinen Äußerungen finden, und wo immer er zu fassen wäre, entzieht Peterson sich durch eine Gegenbehauptung fünf Minuten später. Wenn es dem Leser aber gelingt, sei er gebeten, es den VdZ wissen zu lassen. Aber er soll auch ehrlich die Frage beantworten, ob durch einen Peterson-Vortrag mehr entsteht als ein ungeheurer, bunter, Potpourrie-artiger Wortsalat im Kopf, mit etlichen "konvenienten" (also "genehmen", Druckstellen im Schuh "bestätigenden") aber nicht weiter zusammenhängenden Einzelaussagen, Sätzen, ohne daß man am nächsten Tag sagen könnte, wovon der Mann wirklich gesprochen hätte. Und das nervt doch ziemlich. Man muß vor ihm deshalb sogar ein wenig warnen. Gerade die Lust, mit der Peterson in viele Bereiche des Wissens streift - von Literatur über Philosophie bis zur Heiligen Schrift - ist nämlich Mißbrauch, Blendung, ja sogar narzißtische, eitle Blendung, mit der eine Gesamtheit und damit Autorität, Umfassendheit, "Katholizität" vorgetäuscht wird, die gar nicht besteht.

Von Religion und Christentum (noch weniger) versteht er ebenfalls nichts. Denn man kann mit einer Hobelbank keine Lichtbilder schleifen. Weil die Psychologie, die auch Peterson vertritt, zu dieser Frage nichts zu sagen hat. Wer einen Vorgang beobachtet darf nicht, wie es diese Scheinwissenschaft aber macht, die Geist als Epiphänomen der Materie betrachtet, also als physisch-physikalisches Phänomen, aus dem Nach- oder In- oder Miteinander von Abläufen auf deren physische Kausalität schließen. Die Beobachtung von (bestimmten, immer nämlich selektierten) Abläufen von etwas ist nicht auch schon ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, oder gar eine Begründung!  Nicht einmal eines seiner Lieblingsworte - Verantwortung! - kann ohne absoluten Gott und Geschöpflichkeit des Menschen verankert werden. Es bleibt simpler, kantianisch voluntaristischer Imperativ. Warum? Na, weil es mehr Lust macht und nützlicher ist ... und einfach "worked", also "funktioniert".

Es gibt übrigens einen recht simplen Grund für Realismus, der anerkennt, was "da ist" (und hierin, und nur hierin liegt manches, was man Peterson abnehmen kann) - und das ist die Faulheit des Narziß. Das, woher Gewissen kommt (und damit Scham als Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität), grenzt Peterson schon aus. Denn das braucht Metaphysik. Wie will aber jemand in der konkreten Welt "denken", der Metaphysik wegläßt, und sei es auf die lange Bank schiebt, sich um diese erste Begriffsklärung zu kümmern? Dort ist ja das, was als "idea" dann nach außen drängt, und damit sind wir doch bei einem der Fundamente für innere Antriebe. Nicht die Metaphysik aber "collapsed", brach zusammen, wie er sagt, sondern der Zugang zu ihr. Und das ist eine vor-metaphysische Entscheidung des Pragmatismus, also der psychologischen Pathologie.

Das Ähnliche an Verhaltensmustern bei Menschen und Tieren (Petersons Lieblingstier ist bekanntlich der Hummer, der "lobster"*) deutet er als Beleg für Abstammung. Aber das ist es gar nicht, und was wäre daran wissenschaftlich? Es ist stattdessen ein ontologisches, also geistiges, der Idee inhärentes Prinzip, das sich je nach Lebensstufe so oder so (in gewisser Ähnlichkeit) ausdrückt. Aber beim Menschen kraft seiner Geiststruktur eine völlig andere innere Struktur hat. Denn bei ihm ist die Wahrheitsfrage essentiell und existentiell, also von ihm notwendig als stets aktuelle, neue Lebensaufgabe zu lösen. Aber das erschließt sich erst bei metaphysischer Betrachtung.

Stattdessen ist sogar die Aussage Petersons, daß der Mensch "eine Natur" habe, daß er sich seine Werte also nicht aussuchen könne, sondern daß diese (wie Jung auch sagt) ihm vorausgingen, in diesem Bezug haltlos und relativistisch-aktualistisch. Sie führt sogar direkt (Peterson ist auch Nietzscheaner, wie er a. a. O. sagt) zum Aktualismus, dem Größenwahn, daß alles, was man fühlt schon deshalb "wahr und richtig" sei. Objektive Verankerung hat es nicht.**

Ja, wir sehen die Welt durch unsere Vorstellung, unter Beimischung unseres Willens, da hat Schopenhauer schon Recht. ABER dieser Wille, diese Vorstellung ist nicht deshalb "absolut", weil "sie eben da ist", und immer da ist, und immer damit zeitbezogen da ist! Sie hat einen Prüfstein - und das ist die Gestalt Gottes, des inkarnierten Gottes, sie hat den Prüfstein in einem erreichbaren Absoluten, auch wenn das nicht ausschöpfbar ist. Es gibt diesen Prüfstein des Absoluten! Und er ist es, vor dem sich jede Zeit zu läutern hat! (Siehe: Die Bemerkungen zur Dramaturgie.)


Morgen Teil 3)


*Wie Peterson immer wieder erzählt, hat er aus Beobachtungen bei Hummern und der Wirkung von Serotonin (wie es in Antidepressiva enthalten ist) entscheidende Schlüsse auf die Bedeutung von Hierarchie für das Individuum sowie der Dynamik der Selbstbehauptungskraft auch beim Menschen gezogen. Aggression (beziehungsweise Depression) entsteht - immerhin, daran ist ein wahrer Kern - wo das Individuum die Stelle in einer sozialen Ordnung verliert. Solange es darin verharrt, so lange das nicht hinterfragt ist, ist der Einzelne auch "glücklich". Falsch ist damit, wenn man meint, daß der soziale Status, die Position in der Hierarchie also, es selbst wäre, der "Glück" verspricht. Denn "Glück" (nennen wir es mit Augustinus halt so) kommt nicht aus der Stellung, es kommt aus der Erfüllung der Vorgabe durch die Idee, den Ort, ist also eine Antwort auf die geistige Anforderung. Wie will man das aber sehen, wenn es - als Evolutionist - gar keinen Geist gibt, sondern nur "Emotion", die dem Überleben dienen soll? 

Um weiter Einiges vom Gesagten in seiner Form unter naturwissenschaftlich-reduktionistischen Brechung zu illustrieren: Peterson zieht daraus den Schluß, daß zuerst die Menschen überhaupt für die Existenz einer Hierarchie kämpfen. Um sich dann einen möglichst hohen Platz zu suchen. Nein sagen wir! Man sucht nicht einen möglichst HOHEN Platz, das ist bereits pathologisch weil Zeichen der Entwurzelung, der Entgrenzung damit (das sind nämlich Synonyme). Sondern die Höhe des Status ergibt sich (auch im Serotonin-Haushalt, das behaupten wir frank und frei!) aus der "Tiefe", aus der "Vollendung" weil Erfüllung des Platzes, an dem wir stehen. Als gesollt, nicht durch Erreichen eines "Gewollten". 

Das Gute geht aus dem Gesollten, nicht aus dem irgendwie Gewollten hervor, und gutes Handeln ist das Resultat, wenn das Gewollte auch dem (durch Sehen des Unsichtbaren, des Wirklichen, also des Wesens der Dinge an unserem Ort beziehungsweise in dessen horizontalen wie vertikalen Angrenzungen) Gesollten entspricht, nicht umgekehrt.

**Klingt das nicht sogar bei Alexander Dugin an? Kein Wunder, es ist heute wirklich "Mode", als einzige Lösung, ohne die Gottesfrage zu lösen zu einem "Wahren", "Absoluten", zu einer absoluten Rechtfertigung zu kommen. Herrschaften, eines muß uns klar sein, es muß auch uns selbst Prüfstein sein: Eine Zeit hat immer (!) ihre Tendenzen, und wir sind als in dieser Zeit geboren wie in ihr lebend diesen Tendenzen mit unterworfen. Jeder Denkende ist also immer auch eine Antwort auf die Zeit. Das ist die tiefste Begründung für ... die Wahrheit einer Kunst in ihrer Zeit.