Diesmal soll das Augenmerk auf einen bemerkenswerten südkoreanischen Monumentalfilm aus dem Jahre 2017 gelenkt werden. Mit "Namhanseong" oder "The Fortress"
(auch die deutsche Synchronisation läuft unter diesem Titel) ist nämlich
eine bewegende, feinfühlige Aufarbeitung eines Grundthemas des Menschen
gelungen, der immer wieder zwischen kurzfristigem, zählbarem,
irdischem und irdisch gedachtem Nutzen und dem Ewigen wählen muß, das
zwar nicht immer das bedeutet, was "Erfolg" oder "physisches Leben",
aber dafür wirkliches Leben. Wie sehr das kein fiktiver, idealisierter
Wert ohne Substanz ist, erlebt man leider erst dann, wenn es zu spät
ist.
Damit
wird deutlich, daß der Mensch aus ganz anderen, geistigen Gefilden lebt
als die bloß physische Welt es zu tun scheint. Brechen diese
Ewigkeitswerte ein, in denen aber die Welt selbst verankert ist, bricht
auch das physische Leben zu einem Leben der Unfreiheit, Würdelosigkeit
und des bloß viehischen, ja sklavischen Vegetierens. Nur in der Treue
zum Ewigen bleibt ein Mensch wie ein Volk schöpferisch und hat eine
Zukunft. Und dieses Ewige ist in den höchsten Organen eines Staates
fundiert. Sie müssen es einem Volk sichern. Tun sie das nicht, ordnen
und regieren sie die Staatsangelegenheiten nur nach irdischem Nutzen,
bricht auch der innere Geist eines Volkes, und es wird niedrig,
bestenfalls noch technizistisch.
Worum
geht es konkret? Um ein historisches Ereignis, das sich im Jahre 1637
fünfundzwanzig Kilometer nördlich von Seoul in Südkorea abgespielt hat. Ein koreanischer
König der Joseon-Dynastie, dessen Reich in der chinesischen Ming-Dynastie
als überspannenden Kaiser- und Reichsbogen eingegliedert war, hat sich
angesichts des Vormarsches mächtiger, einbrechender Heere der Mandschu
(Mandschurei), die ganz China bedrohen, mit seinem Hofstaat und 13.600
Soldaten in die Festung Namhanseon zurückgezogen. Die ist gut ausgebaut,
aber diesmal dauert die geschlossene Belagerung besonders lang, auch
durch den extrem harten Winter 1936/37. Die Lage wird immer
bedrohlicher. Die Lebensmittel gehen aus, die Kälte macht den Soldaten
das Leben zur (kalten) Hölle.
Nur
eine Hoffnung besteht noch: Daß chinesische Ming-Heere aus dem Süden
anrücken und den Belagerungsring brechen, wie vereinbart, wie
versprochen. Aber die Verstärkung kommt nicht, letztlich durch
menschliche Niedrigkeit und Verrat, und die Mandschu-Heere lassen sich
Zeit, um einen vernichtenden, technisch überlegenen Eroberungsschlag
vorzubereiten. In dieser Bedrohungslage machen sie immer wieder Angebote
an die Eingeschlossenen, denen gemäß eine Unterwerfung unter den
mandschurischen Khan (Kaiser) eine sofortige Beendigung der Belagerung
nach sich zöge, deren Ausgang andererseits immer gewisser zu werden
scheint, zumindest wächst die Angst: Vernichtung aller in der Festung Eingeschlossenen und völlige
Unterwerfung des übrigen Volkes.
In den Ratssitzungen brechen immer wieder Diskussionen aus, was zu tun sei. Es bilden sich bald
zwei Lager, deren eines, rund um einen Minister, der thematisch gewiß
die Hauptfiguren des Films darstellt, lieber sterben möchte als die Ehre
aufzugeben, also dem chinesischen Kaiser wie der eigenen Freiheit und
den eigenen Göttern untreu zu werden, um sich der Fremdherrschaft - mit
anderen Göttern! - zu unterwerfen. Der Rettungsplan des Ministers, der
einen tapferen Schmied mit einer Botschaft an die (hoffentlich) nicht
mehr weit entfernten Entsatzheere losgeschickt hat, schlägt fehl, aber
noch ehe das gewiß wird entscheidet sich der König, dem Vorschlag eines
Beraters zuzustimmen, und dem Mandschu-Kaiser seine Unterwerfung
anzubieten.
Die
dieser unter auferlegten erniedrigenden Bedingungen auch akzeptiert,
und den Sturm auf die Festung abbrechen läßt, sodaß tatsächlich viele
überleben. Aber wie ...! Die Unterwerfungszeremonie macht schließlich
allen klar, daß dieses nunmehr gewonnene Leben gar kein Leben mehr ist.
Daß sie das Feuer, das Leben erst zu Leben macht, mit dieser Untreue,
mit diesem niedrigen Pragmatismus ausgelöscht haben. Das Volk wird
vielleicht weiterleben, aber es wird nie mehr es selbst sein. Eine
Zukunft im "Frieden" kann es nur geben, wenn die Vergangenheit
ausgelöscht wird und nicht mehr wirkmächtig existiert.
Als
der König sein Haupt vor dem neuen Herrscher zu Boden beugt, neunmal,
wie verlangt, wird schlagartig allen bewußt, was sie nun verloren haben.
Der Minister, der der Zeremonie sowieso fernbleibt, begeht gleichzeitig
Sepuko, den zeremoniellen Selbstmord durch das Schwert. Der Hof kehrt
anschließend in den Palast zurück, aber der ist leer, ohne Leben, ein
nacktes Gebäude. Die Höflinge haben ihr physisches Leben gewonnen, aber um den
Preis des Lebens selbst, ja um den Preis des ganzen Staates.
Hinkünftig dürften sie zwar noch Regierung spielen, aber "sein"? Und das Volk kann spielen, als ob es noch einen König hätte. Aber es hat gar keinen mehr. Nicht zufällig schließt sich das Tor, als alle in den leeren Königspalast eingetreten sind. Das organische, von- und mit- und ineinander lebende Ganze ist zerstört, fortan existieren nur noch Stücke. Regierung. Volk. Was zu geschehen hat, sagen sowieso die Mandschu.
Mit dem König, der an sich denkt anstatt an sein Amt, der an die "überzeugenden Argumente" glaubt, das Leben des Volkes sei ohne seine Ehre rettenswert, bricht alles. Die moderne Welt kennt keine Zuverlässigkeit, sie kennt nur Pragmatismen, Situationsethik. Wie in einem Nachspann erzählt wird, halten die Manschu nicht einmal Wort. 500.000 Koreaner werden damals bald darauf in die Sklaverei geführt. Das Königsopfer ist nämlich in jeder Hinsicht wertlos.
Hinkünftig dürften sie zwar noch Regierung spielen, aber "sein"? Und das Volk kann spielen, als ob es noch einen König hätte. Aber es hat gar keinen mehr. Nicht zufällig schließt sich das Tor, als alle in den leeren Königspalast eingetreten sind. Das organische, von- und mit- und ineinander lebende Ganze ist zerstört, fortan existieren nur noch Stücke. Regierung. Volk. Was zu geschehen hat, sagen sowieso die Mandschu.
Mit dem König, der an sich denkt anstatt an sein Amt, der an die "überzeugenden Argumente" glaubt, das Leben des Volkes sei ohne seine Ehre rettenswert, bricht alles. Die moderne Welt kennt keine Zuverlässigkeit, sie kennt nur Pragmatismen, Situationsethik. Wie in einem Nachspann erzählt wird, halten die Manschu nicht einmal Wort. 500.000 Koreaner werden damals bald darauf in die Sklaverei geführt. Das Königsopfer ist nämlich in jeder Hinsicht wertlos.
Morgen Teil 2) Eine Metapher auf unsere Zeit
*260619*
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