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Sonntag, 18. August 2019

Filmempfehlung (2)

Teil 2) Eine Metapher auf unsere Zeit



Die Geschichte von "The Fortress" wird sehr ruhig erzählt, fast könnte man sagen: langatmig. Aber das stimmt nicht. Vielmehr brauchen diese feinen, tiefen Inhalte eine gewisse Zeit, um im Betrachter zu gedeihen, und das tun sie, wenn man sich diese innere Muße gönnt. Die Dialoge sind teils sehr gehaltvoll, so einfach sie oft scheinen, menschlich überzeugend und spannend, auch poetisch, und machen das Bewußtseinsbild von Menschen klar, die noch in einer ganzheitlichen, religiös angefüllten, lebensvollen Welt und Verwurzelung leben. Die einer "modernen", technisch überlegenen, brutalen, pragmatischen Welt gegenüberstehen, der Neuzeit sozusagen, die die Liturgie der Alten Welt zwar nicht selbst pflegt, aber sehr gut deren Wert einschätzen kann. 

Die Alte Welt muß deshalb gar nicht so sehr militärisch unterliegen, sondern es geht dem Khan viel mehr um diese Absage an die alten, ja um die eigentlichen menschlichen Werte, um den eigentlichen Sinn menschlichen Lebens. Es geht ihm um die Absage an diese Einheit zwischen Himmel und Erde, die im Herrscher lebte. Deshalb genießt er jeden Augenblick, in dem die Alte Welt ihre Werte mit Füßen tritt, und zelebriert es in einer eigenen Liturgie. Der Khan will den Geist brechen, und der liegt bei einem gesunden Volk im König. Berührend gezeichnet, wie der König aus der Festung (wie gefordert: Durch ein Nebentor; so wie es Kaiser Karl in Wien 1918 tat) auszieht, um sich vor dem Khan niederzuwerfen, und das Volk weinend die Wege säumt. Es weiß, was nun kommt, es weiß, daß es nun seine eigene Stärke, ja mit dem König sich selbst verliert, auch wenn es rein physisch nun "lebt".

Das alles haben die Filmemacher offensichtlich gewußt und um dieses Thema ist es ihnen auch gegangen. Zu deutlich, zu liebevoll, detailreich und langsam wird alles dargestellt, man muß es als Metapher nehmen. Und da wird es hoch aktuell! Wir haben es heute tatsächlich mit dem "Frieden" der Niedrigen zu tun, dem Wohlergehen der Ehrlosen, der Entmenschten, der Religionslosen, Schwätzer und pragmatischen "Humanisten", das ist die Wahrheit, die als Beweis, wie hochstehend unsere "Kultur" doch sei Lebensaltersteigerungen, Infektionsraten und Prozentzahlen von Konsumdeckungsraten anführen. Während die Menschen im Staub liegen, Staub fressen und seelisch in der Sklaverei verrotten. 

Das ist die Wahrheit darüber, wie der moderne Mensch lebt. Dem es "gut" geht, der in "Frieden" lebt, und zwar so lange und ab dem Moment, wo er auf Geist verzichtet und das Selbstsein aufgibt. Unsere Lebenswelt ist eine einzige Brutstätte aus Bestechung, Korruption, Niedrigkeit, Verführung und Verrat. Denen man ganz neue Etiketten umgehängt hat, für die man alle hohen Begriffe umgedeutet hat. Heute nennt man Friedensbringer und Lebenstüchtige, die keine Scheu haben, das was sie in Wahrheit repräsentieren und vertreten müssen - eine Idee, einen Ort, eine Figur auf der Weltbühne - zu verraten, um mit dem anderen "auszukommen" und "Frieden zu halten". Selbst der König im Film verrät sein Amt - er will plötzlich nur noch subjektiv "leben". Und dafür verrät er sein Amt. Ist es nicht wunderbar? Nun werden doch auch so viele seiner Untertanen (und allen voran natürlich die Minister, die Ratgeber, der Hof ...) "leben" und nicht "sinnlos sterben", in einem Krieg, der "nicht zu gewinnen" ist. Die Eliten versagen und der Grund dafür wird im Film eindrücklich dargestellt. Das ist die Ursache für den Niedergang jeder hohen Kultur.

Das in einem jungen Film so aufgearbeitet zu sehen, läßt einen also erstaunen. Und aufhorchen, ja neugierig werden, was für ein geistiges Klima es wohl in diesem Südkorea geben mag. Das für solche Themen sogar derartig aufwendige Werke schafft, die geeignet sind, einem Volk - also den Südkoreanern - das vor Augen zu rufen, worum es wirklich auf der Welt geht. Angeblich haben in Südkorea im Jahr 2018 alleine 3,8 Millionen Menschen, das ist jeder zehnte Erwachsene, diesen Film in den Kinos gesehen. 

Und das wirft ein eigenes Bild auf die Spannungen und Ausgleichsgespräche mit dem nördlichen Korea, die speziell in den letzten Jahren, wie man hört, neue Dynamik angenommen haben. Aber an eine Wiedervereinigung um jeden Preis, zumindest aus der Sichtweise der Südkoreaner, kann man da nicht glauben. Und das ringt einem denn doch Respekt vor Seoul und dem Volk der Südkoreaner ab.




Hier noch ein Eindruck von der Festung Namhansanseong heute, in den Bergen nördlich von Seoul gelegen.