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Dienstag, 20. August 2019

Den Henker selbst geboren (2)

Teil 2) Will die AfD wirklich nur den besseren Liberalismus?



Aber das ist eben der Irrtum. Verstehen, begreifen ist von der ontologischen - also der Existenz vorgängigen, damit zu erfüllenden (und erst dann kann man den Schritt vom Dasein zur Existenz vollziehen, dem eigentlichen Lebensvollzug somit) - Position nicht zu trennen. Denken ist nicht einfach eine logisch-neutrale Bewegung, die jedem zugängig ist, sondern es ist an die Grammatik des Daseins eines Menschen gebunden. Und darauf bezogen. Das heißt, daß sich in eines Menschen Denken immer (und untrennbar weil grundlegend, also vorgängig) eine Antwort seines individuellen Ortes zum Gefüge des Gesamten ausdrückt. Damit hat jede Gesellschaft in sich eine Hierarchie, eine hierarchische Ordnung zur Grundlage aller ihrer Individuen, und ihr Wohlergehen, das Gemeinwohl, hängt von der Erfüllung dieser Anforderungen aus dem individuellen Ort ab. Der selbst es ist, der ein gesellschaftliches Insgesamt zum Gelingen führt, oder nicht. 

Der Anspruch, durch "Leistung", durch "Können" einen Platz zu erringen, ist deshalb ein grober Unfug weil Irrtum. Auch Können, auch Leistung bezieht sich auf diesen Ort, in den man hineingeboren wurde, und ist nur Leistung im Rahmen der Antwort auf die Anforderungen, die dieser Ort stellt. Die zum der Aufklärung entstammenden Mythos unserer Kultur gewordene Illusion, daß "jeder alles und jedes können könne", so er nur wolle, so er sich nur durchsetze (und das sei dann ja die Leistung), ist ja selbst nichts als ein nützliches Instrument in der Hand der Wenigen, die dem anderen ihr Geburtsrecht (jawohl, denn darum geht es) absprechen wollen, so es ihnen behagt. 

Und ihre Unzufriedenheit auf ein Gesamtsystem umlegen, das schon bei oberflächlichem Nachdenken gar nicht allen möglich sein KANN. Aber dem Usurpatoren dient, seine eigene Unrechtshandlung, das unrechtmäßig Angeeignete, der unrechtmäßig besetzte Ort, vor einem Absoluten (weil Weltgesetz) zu rechtfertigen. Um sich dann umso brutaler, umso schamloser der anderen, die es "nicht so weit gebracht" haben, zu bedienen. Im mindesten durch das, was E. Michael Jones so elegant "State sponsored Usury" nennt, also vom Staat geförderten Wucher. 

Die Freiheit der Rede ist nur in einem Punkt von Bedeutung - als Symptom. Als Symptom einer Gesellschaft, in der letztlich jeder mit seinem Platz zufrieden ist. Und von diesem aus was immer ihm auch begegnet entgegnen kann, weil er in keinem Punkt um den Verlust dieses Platzes fürchten muß.  Die Betulichkeit, mit der sich so mancher heutige Diskurs auf "freie Meinungsäußerung" bezieht, legt den Verdacht nahe, daß diese Betonung vor allem deshalb so markant wurde, weil jeder um seinen Platz fürchten muß. Und die "Rechten" (in der Regel lediglich bedrängte Liberale) nicht zuletzt deshalb, weil sie längst ins Hintertreffen gekommen sind, denn die Linke ist auf diesem Markt der Kräfte cleverer, rücksichtsloser und offener machtbezogen vorgegangen. Wozu ihnen die Liberalen aber alle Wege geebnet haben.

Gerade der Toleranzgedanke, dem Jongen hier einmal mehr breitritt, ist ja gar keine Toleranz, sondern das Prinzip der Auflösung des Eigenen. Toleranz kann es nur dort geben, wo der jeweils Eigene für sich bestehen bleibt, aber jedes Eigene hat Grenzen, ab denen es gefährdet ist. Tolerante Gesellschaften kann es also nur geben, wenn die jeweiligen Eigen-Gruppen weitgehend für sich stehen, also in Segregationsgesellschaften. Zu sagen, daß das Problem des Islam wäre, daß er die Aufklärung - als Auflösung der eigenen Gestalt in Rationalismus - nicht durchgemacht habe, ist gelinde gesagt naiv und wirkungslos. 

Denn der Gedanke der Toleranz wirkt jeder wahren Gemeinschaftsbildung an sich bereits entgegen. Als Staatsform ist er nur im Reichsgedanken realisierbar, wo die Reichsleitung als überspannender Bogen über an sich unvereinbare Gemeinschaften (die es nur auf der Grundlage der Religion geben kann) gewisse Agenden (Außenpolitik, Gesamtverteidigung, manche gruppenübergreifende Anliegen) sinnvoll werden kann. Sonst landen wir genau dort, wo doch keiner hin will: In der Multi-Kulti-Gesellschaft, deren Merkmal es ist, daß es eben gar keine Kultur mehr gibt. Aber auch Jongen scheint dem fatalen Mythos aufzusitzen, daß es so etwas wie eine gemeinschaftliche "deutsche Kultur" gäbe. 

Damit verrichtet er aber das Geschäft der Linken, mit ihrem Universalismus, der jede aus der Landschaft, den dort lebenden, geborenen Menschen, den Lebensformen und regionalsten Traditionen, persönlichen Verbundenheiten und Bräuchen geformte Art im Namen überspannender, universalistischer "Werte" auflöst. Auch die AfD scheint also nur einen Universalismus durch einen anderen ersetzt sehen zu wollen, der nur ein wenig geringeren Umfangs ist als eine explizite "Weltgesellschaft". Seltsamerweise steht sie damit auf derselben Rennbahn wie der Islam! Damit bleibt wieder dieselbe inhaltslose Leier von "Keine Toleranz den Intoleranten", die nicht aufhört, eine liberale Gesellschaft zu fordern. Mit denselben Schlagworten, wie sie die Linken im Schilde führen: Emanzipation, Emanzipation, Emanzipation.

Der Vortrag bleibt somit das, was wir von Liberalen allzu gut kennen: Ein Lamento, was halt nicht paßt, mal mehr, mal weniger berechtigt. Aber ohne letztendlichen Sinnhorizont, der über den Liberalismus, den wir heute haben, hinausweist. Die Forderung nach Vernunft ist damit nur die Forderung, Politik mit ein bißchen mehr Rationalismus zu betreiben. So daß man schon sagen muß: Wenn das alles ist, was die AfD vorzubringen hat, kann man jetzt schon sagen, daß sie nicht die Kraft ist, auf die manche warten. Nur deshalb warten, weil die geistigen Grundlagen dieser politischen Kraft eine widersprüchliche Suppe sind, die nur ein Aufguß eines bestenfalls "besseren" Liberalismus" ist. Das Rückgrat der Wahrheit ist sie jedenfalls nicht. Und es schleicht sich ein seltsamer Verdacht ein, was das Theater um die AfD, das die übrigen Parteien inszenieren, überhaupt soll.