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Donnerstag, 16. April 2020

Daran denkt man gar nicht

Carl Schmitt schreibt einmal sehr richtig, daß man die wirkliche Macht in einem Staat daran erkennt, wer in der Lage ist, den Ausnahmezustand zu verhängen. Und zu nützen, muß man hinzufügen. Das passiert auch heute, in Zeiten der Corona-Verwirrnis, pardon, der Corona-Pandemiekrise. Und es passiert nicht nur durch Durchgriffe auf Datensammlungen wie bei Mobilfunkanbietern, vorgeblich nur für "gute Zwecke", wie alles in Notstandsverordnungen. Hier, um aus Bewegungsprofilen Gefährder (sic!) der Allgemeingesundheit zu erkennen. China zelebriert das mittlerweile so hemmungslos, daß es einem kalt über den Rücken läuft. Hier muß man mittlerweile sogar die Handys vorzeigen, auf die von staatlichen Stellen Farbcodes aufgespielt werden, die zeigen, wieweit jemand dieser Volksgesundheit schaden könnte, weil er hier und da war, weil er mit diesem und jenem geredet hat, usw. usf.

Eine Eingriffsmöglichkeit gibt es noch, man denkt kaum an sie. Und sie zeigt sich in kleinen Nebenmeldungen wie hier in der Kronen Zeitung, wo Verantwortliche von Netflix in Brüssel mit einem der Kommissare der EU verhandelt haben. Weil sich die Menschen in der Coronakrise per Gesetz stark ins Private zurückziehen müssen, steigt nicht nur die Inanspruchnahme von Pornoseiten. Pornhub hat während der Coronakrise sogar allen Italienern kostenlose Mitgliedschaft im Wichsclub angeboten. Seit die Coronahysterie herrscht, hat der Pornhub-Verkehr in Europa um 6,6 Prozent zugenommen. Die Nutzungsstunden haben sich auch verändert, sie haben sich mehr in die Nacht verschoben.

Es steigt auch die Inanspruchnahme etwas (aber nur etwas!) seriöserer Filmanbieter wie Netflix. Das sieht mancher politisch Gutbewegte ja gar nicht so ungern. Denn Netflix gehört, sieht man die angebotenen und wie erst die produzierten Filme an, zu den massivsten "woke"-Manipulateuren zur political correctness

Hoher Filmkonsum erhöht aber das Datenaufkommen beträchtlich. Einer der Betreiber eines Datenknotens in Frankfurt berichtet, daß bei ihm in diesen Wochen die Menge der durchgeflossenen Daten um zehn Prozent gestiegen ist. Und das, obwohl vermutlich viel Datenverkehr aus der Wirtschaft usw. wegfällt. 

Um diese Mengen geht es zwar nicht direkt, sie sind bewältigbar, aber es geht um Bevorrechtungen. Das heißt, daß Filmstreaming zukünftig mit geringerer Priorität durch die Leitungen gedrückt werden könnte. Um dem zu entgehen, hat man bei Netflix, wie man liest, davon gesprochen, daß bei hohem Datenaufkommen freiwillig die Qualität der Filmbilder gesenkt werden könnte. Reicht bei HD eine Durchflußmenge von fünf MBit/sec., so verlangt die derzeit höchste Filmqualität bei Netflix schon 25 MBit/sec.

So nebenbei: Daraus kann man erkennen, wie solche Angebote und Ansprüche auch den Energiebedarf betreffen. Und der ist beträchtlich! Alleine die Kunden von Pornhub (weil wir schon mal dabei waren, und Pornhub ist, wie man liest, nur einer von vielen ähnlich großen Anbietern) verbrauchen weltweit durch Filmkonsum den Strom aus zwei großen Atomkraftwerken. Und Bitcoin, diese angeblich total abgeschützte (darf man jetzt wenigstens lachen?) Superwährung, verbraucht dieselben Mengen an elektrischem Strom wie mittlere Staaten. (Wäre interessant, mal ernsthaft die Frage der Kostenwahrheit so mancher "Freiheit" näher anzusehen. Die so gut wie immer auf Kosten der Steuerzahler und wie hier auf Kosten der normalen Stromkunden ihre Überlegenheitsattitüden arrogant ausleben.)

Erst dieser Tage gab die Regulierungsbehörde RTR bekannt, daß in Zeiten der Not (wie sie jetzt angeblich herrschen, zumindest haben wir es von der politischen Lage mit einer solchen verordneten Not zu tun) gestattet ist, bestimmte "weniger kritische" Netzdienste zu drosseln, um die Datenautobahnen für andere Dienste freizumachen. Was auch immer damit gemeint ist. Vermutlich Mails, oder Datenüberwachung gefährlicher Subjekte. Das soll, so liest man, aber nur für Anbieterkategorien gelten, nicht für einzelne Anbieter. Also z. B. nur für Filme - oder bestimmte Filme - generell, nicht aber nur Youtube oder nur Netflix.

Aber schon an der Schwierigkeit, das gedanklich, noch mehr aber technisch einzugrenzen, kann man nicht nur erkennen, wie heikel das Thema ist. Sondern man kann erkennen, daß es sich hier um ein Werkzeug handelt, das funktioniert, und nur davon "Akzeptanz" erfährt, weil das Volk davon ausgeht, daß dieses Werkzeug im Sinne des Allgemeinwohls verwendet wird. Und auch an dieser Formulierung wird klar, wie tauglich solche Werkzeuge wären und sind, den Menschen noch mehr Freiheit zu nehmen und sie zu überwachen und zu manipulieren. 

Es ist deshalb nicht (im pathologischen Sinn) paranoid, den ständigen Zuwachs solcher Instrumente zu beobachten, sondern Gebot einer gesunden Paranoia, weil die Angst nüchterner Reflexe auf die Realität ist, in der wir bereits leben. Die Skrupellosigkeit ist dem guten, gebildeten Gewissen immer weit voraus, weil sie in der Lage ist, Möglichkeiten zu denken, die dem normalen, moralisch nicht ganz so verdorbenen Bürger gar nicht einfallen würden.