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Freitag, 3. April 2020

Identitätssuche in Zeiten der Gestaltlosigkeit

Gestalt gibt es nur als Unhinterfragtes, als etwas, das in seiner Erscheinung unbezweifelte Autorität hat. Ist etwas keine Gestalt, findet es sich nie in festen Grenzen, und versucht verzweifelt jene Beschränkungswände zu finden, die ihm Gehalt und damit ein So-sein in der Welt geben. 

Damit geht Gestalt aber auch mit Hierarchie einher. Weil aber diese Grenzen, diese formgebenden (ist-schaffenden) Wände von außen gegeben sein müssen, will man die Hände zum Handeln frei haben und nicht jeden Augenblick dazu benützen müssen, die Bordwände aufrecht zu halten, weil also somit Identität von außen kommt, hat sich der antiautoritäre Impuls der letzten Jahrzehnte als Auflösung der sozialen Strukturen und damit der Identitäten ausgewirkt. 

Und zwar für jeden, nicht für die sogenannten Autoritätsfiguren, die dem Katalog der Schemata der sozialen Gefüge entnommen wurden. 

Gestalt aber - und damit Identität - kann nur als Unhinterfragtes VON AUSZEN gegeben werden. Wird das verweigert, wird es wie heute gar als Bedrohung tituliert, weil man aus der eigenen Erfahrung der Gefährdung der Identität in der postmodernen Erklärung (die alles Zwischenmenschliche zum Kampf um Macht und damit um Herrschaft erklärt) in jedem Augenblick erfährt, wird somit die Haltung die des Aneignens, des Setzens, nicht mehr des (dankbaren) Nehmens, erfährt sich der Einzelne also nicht mehr in einer Schuldigkeit der Umwelt gegenüber, löst sich im selben Maß, wie diese Selbstgebung von Identität versucht wird, eben diese Identität auf. Kein Mensch aber kann ohne Identität leben. 

 Am deutlichsten wird dies bei der Betrachtung der jungen Menschen.

Hier einige Zeitungsberichte aus jüngerer Zeit, die das - mehr oder weniger ratlos - illustrieren.

ERSTE LEBENSKRISE HEUTE BEREITS MITTE 20

Bislang hat die erste große Lebenskrise meist im Alter von etwa fünfzig Jahren stattgefunden. Viele Scherze gibt es über die sogenannte Midlife-Crisis, bei der man an feine Herren mittleren Alters denkt, die plötzlich mit 20-jährigen Frauen auf der Harley Davidson herumcruisen. Doch die Generation Y erlebt die Krise schon viel früher, nämlich mit Mitte 20. Die Quarterlife-Crisis.

Mit Mitte 20 ist man meist mit dem Studium fertig oder arbeitet schon länger in einem Lehrberuf. Viele fragen sich dann, in welche Richtung ihr Leben weitergehen soll. Das ist die Zeit, nach dem „Erwachsenwerden“. Man hat es durch die Pubertät geschafft, jetzt kommt die nächste Krise. Die Quarterlife-Crisis. Auslöser dafür ist meist das Gefühl „nicht genug zu sein“. Man findet keinen Job, der seinen akademischen oder intellektuellen Fähigkeiten entspricht, ist unterbezahlt und unterfordert.

Frust und Konflikte, unerfüllte Kinderwünsche, Unzufriedenheit mit der eigenen Karriere, finanzielle Probleme und die sozialen Medien, die einem zeigen, daß es allen anderen viel besser geht. Daß man der oder die einzige ist, die noch nichts erreicht hat. Man ist nostalgisch, wünscht sich die Jugend zurück und fängt an, Freundschaften neu zu bewerten. Laut Studien sind die Hälfte aller Millenials von der Quarterlife-Crisis betroffen. Unerfüllte Job-Situation, Schwierigkeiten bei der Partnersuche, zu hohe Erwartungen an sich selbst und aus der Gesellschaft - das macht sechs von zehn Mittzwanzigern psychisch enorm zu schaffen.

Doch wie das auch so mit der Midlife-Crisis ist, ist auch die Quarterlife-Crisis irgendwann vorbei. Der Frust motiviert dazu, etwas zu verändern. So kann man aus dieser Krise auch durchaus gestärkt hervorgehen.

Februar 2020


85 Prozent der 14- bis 21-Jährigen machen Selfies, 39 Prozent wöchentlich, 26 Prozent täglich, 14 Prozent sogar mehrmals am Tag. Aber nur 27 Prozent geben zu, dass Selfies eine zentrale Bedeutung für sie haben. Warum? Weil es den meisten schlicht peinlich ist. Das ergab „Selfies ungeschminkt“, eine tiefenpsychologisch-repräsentative Umfrage von „Lönneker und Ihmdal rheingold salon“. Außerdem beschäftigte sie sich mit der Frage, wie sehr die Jugendlichen in sich selbst verliebt sind und warum sich eine ganze Generation über Selfies definiert.

30 Prozent der Jugendlichen sehen das Berühmtwerden als explizites Lebensziel. Heute will keiner mehr Ärztin oder Pilot werden. Die Berufswünsche lauten Influencer oder YouTuber. Selfies sollen auf dem Weg zur Popularität helfen. Außerdem belegt der Umgang mit dieser Art von Fotos extrem selbstverliebte Züge. Laut „Selfies ungeschminkt“ sehen 65 Prozent der Befragten die Anzahl der geposteten Selfies als Indikator für übersteigerte Selbstliebe. Weitere 75 Prozent kritisieren den starken Wunsch nach Anerkennung. Sie sprechen sich also gegen das aus, was sie selbst tun.

Selfies tödlicher als Haie

Fünf Mal so viele Menschen kamen in den vergangenen Jahren beim Machen von Selfies ums Leben als durch Haiangriffe. Die Jagd nach dem perfekten Bild kann in gefährlichen Situationen zu sehr ablenken. So gaben auch 68 Prozent an, dass sie gar nicht mehr mitbekommen, was um sie herum passiert, wenn sie sich fotografieren. Besonders erschütternd: 66 Prozent schätzen, dass sie durch das nachträgliche Betrachten ihres Selfies erst sehen können, was sie erlebt haben. Ebenso finden 44 Prozent, dass das Erlebte erst dann toll war, wenn viele andere es liken.

Alles unter Kontrolle - Hundert Versuche für ein Bild

In der perfekten Welt auf Instagram sollen die Fotos so aussehen, als wären sie bei einem natürlichen Schnappschuss im Vorbeigehen entstanden. Doch das ist ganz und gar nicht der Fall: 45 Prozent der befragten Mädchen gaben an, mehr als 50 Selfies zu machen, bevor eines gepostet wird. Bei 18 Prozent sind es sogar mehr als 100. Auch der zeitliche Aufwand ist enorm: Für ein Selfie brauchen sie mindestens 30 Minuten. Das soll aber nicht sichtbar sind. Trotz des enormen Aufwands soll es ganz natürlich wirken.

Selfies gehören heute zur Selbstfindung der Jugendlichen. Sie sind Ausdruck extremer Selbstverliebtheit und gleichzeitig Ausdruck der Sehnsucht nach Anerkennung durch andere. Ein weiterer wichtiger Punkt beim Thema Selfies ist die Kontrolle. Die Jugendlichen kontrollieren bei diesem Foto alles: Das Make-up, die Kleidung, die Location, die Pose. Mittels Selfies können die Teenies in kontrollierten Kontakt mit sich selbst und zu anderen treten. Das ist wichtig, denn im Gegensatz zu den Vorgängergenerationen verspürt die Generation Z auf der physischen, gesellschaftlichen und familiären Ebene einen Kontrollverlust.