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Freitag, 17. April 2020

Die totale Kontrolle

Ein Dokumentarfilm des österreichischen Filmemachers Werner Boote aus dem Jahre 2017. Dank an Leser H für den Hinweis, dem hiermit die silberne Knödelscheibe für treue Verdienste ums Blog überreicht wird. Zu "Alles unter Kontrolle": Es begann spätestens bei 9/11 im Jahre 2001, also mit der Angst vor dem Terror, und fand in der Angst vor dem Corona-Virus seinen vorläufigen Höhepunkt. Nichts in der Reaktion war letztlich rational begründbar. Nicht EIN Terroranschlag wurde verhindert. Nicht EIN Toter durch einen Corona-Virus wurde vermieden. 

Mittlerweile wird vom Durchschnitt der Bevölkerung (wie von den Medien eingeflüstert) die Gefährdung, ja der direkte Verlust der Freiheit als "geringes Übel" angesehen, verglichen mit den - es sei noch dazu betont: FIKTIVEN, MÖGLICHEN - irdischen Schmerzen und Leiden, die ein Terroranschlag oder eine Corona-Erkrankung bedeuten. 
Seit Jahrzehnten sieht sich der Staat zunehmend in einer feindlichen Stellung seinen Bürgern gegenüber. JEDER ist schuldig, jeder darf deshalb seiner Intimität beraubt werden, weil er böse sein KÖNNTE. Jeder ist schuldig, es sei denn, er kann das Gegenteil beweisen. Genau das ist aber unmöglich. In der Corona-Krise erleben wir nun, wohin das geführt hat. Jeder ist zum (möglichen) Todfeind des anderen geworden. 
Intimität, Diskretion wird heute als menschliche Notwendigkeit nicht mehr akzeptiert. Unter dieser Voraussetzung des grenzenlosen weil "in einer Möglichkeit begründeten" Verdachts ist Gemeinschaft und Volk aber unmöglich geworden. Denn alles menschliche Miteinander beruht in dem Vertrauen darauf, daß der Mensch seine Möglichkeit NICHT in jeder Hinsicht wahrnimmt, sondern den Konventionen folgt. Sie beruht also auf der aktualisierten Kraft zur Freiheit. 
Der Grund, warum der Bürger heute von seinem Staat wie von anderen Stellen nicht mehr respektiert wird, liegt deshalb in einer prinzipiellen Verneinung der menschlichen Freiheit. Er liegt darin, daß diese Freiheit - wenn schon akzeptiert - auf einer falschen Vorstellung von Freiheit beruht, nämlich auf Willkür. 
Die menschliche Integrität als Unverletzlichkeit der intimen Sphäre - und dazu gehört auch das Vergessen - als Hoheit über das Ganze des individuellen Menschseins, der Rolleninterpretation, die jeder pflegt und hegt, wird nicht mehr als konstitutives Argument von Gesellschaft und Gemeinschaft akzeptiert. 
Deshalb sieht niemand einen Verstoß gegen die genuin menschliche Moral darin, jeden seiner Freiheit zu berauben. Irdisches, materiales, quantifizierbares Gut wird über das geistige Wesen des Menschen gesetzt, ja außerhalb dessen angesiedelt. Der Geist, den es nur in Freiheit gibt, der also nach Freiheit verlangt, wird spätestens seit der Aufklärung nicht mehr als dem Menschen zubehöriges Merkmal der Welt gesehen.
Die fundamentale Schwäche dieses Films ist, daß er die Freiheit nicht im Objektiven verankern kann. Es bleibt bei einigem vordergründigen Geplänkel im Rahmen populärer, aber unreflektierter Schlagwörter und Vorurteile. Als würde er das untersuchte Problem selber gar nicht ernst nehmen, sondern nur "irgendwie dramatisch" ausmalen. 

Da wird von Datenmonster gesprochen, wohl in der Hoffnung, daß diese Schlagworte gedankliche Tiefe vortäuschen können, und das reicht dann. Man hätte sich zu so einem (gewiß auch in den Augen des Filmemachers) gewichtigen Thema auch manch gewichtigeren Gesprächspartner gewünscht als "Experten", die "Vorteile minus Nachteile = Wert des Produkts" in die Kamera plauschen. Und erzählen, daß sie erst zu Chip-Implantaten zustimmen wollen, wenn sich diese Cyberwelt weiter entwickelt hat. Ist das eine wirklich noch ausständige Entscheidung zu einer prinzipiell moralischen Frage?

Der Dokumentarfilm "Alles unter Kontrolle" ist deshalb dieselbe Possenreißerei wie bei jedem Liberalen. Wie bei jedem, der das Dogma von der "offenen Gesellschaft" unreflektiert angenommen, meist mit der Muttermilch aufgesogen hat. Wo wie bei vielen Menschen zeitlebens die Freiheit des Menschen ... mit einer Unfreiheit begründet wird. 
Ja, die Ordnung der menschlichen Welt selbst, die Ordnung jeder Gesellschaft "in Freiheit" wird mit der Unfreiheit als rein materiales, vorhersehbares, prädestiniertes Geschehen (Triebe, als physiologisch unwiderstehlich entstandener Antriebe) begründet. Sie bleibt im rein subjektiven Bedürfnis als physisches, materielles Bedürfen begründet. Und ihr Verlust bleibt deshalb immer dann akzeptabel, wenn ihr Verlust im Namen "guter Zwecke" passiert. 
Nur genau dort kann sie sich nicht nur schneller als man denkt zur Unfreiheit verwandeln, nein: Dort IST sie Unfreiheit, objektiv betrachtet. Keine "nette" Regierung, kein "guter Zweck" kann das besser machen. Und keine Praxis des individuellen Verzichts auf Freiheit kann das Absprechen von Freiheit rechtfertigen. 

Freiheit, Integrität und Diskretheit ist Bestandteil des Menschseins an sich! Sie muß deshalb Tabu sein.

Auch der Süchtige fühlt sich frei, wenn er gerade genug Geld hat, um sich einige Schüsse zu leisten. Wie unfrei er ist, wird ihm erst klar, wenn er kein Geld mehr hat, um sich den nächsten Schuß zu besorgen. Und er sich nicht GEGEN diesen zu entscheiden vermag.






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